Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)
Überzeugung, daß das der Teufel sei, vor dessen Krallen man sich in acht nehmen müsse; denn der gute Gargantua hatte seinem Statthalter, damit er den andern Spitzmäusen und Mäusen, Ratten und Ratzen, den Hamstern, Wieseln, Iltissen und Katzen, kurz, dem ganzen nächtlichen Raub– und Diebsgesindel um so mehr Respekt einflöße, hatte dem Statthalter, sage ich, ein wenig Muskatöl um die spitzige Schnauze geschmiert, dessen Geruch seitdem alle Spitzmäuse geerbt haben, da der Statthalter trotz dem weisen Rat Gargantuas die Mitglieder seiner Sippe nicht immer in gehörigem Abstand gehalten hat, infolgedessen die berühmten und langwierigen Spitzmäusekriege entstanden sind, die ich euch in einem ernsten weltgeschichtlichen Werke erzählen würde, wenn ich die Zeit dazu hätte.
An diesem Muskatgeruch erkannte der graue Mausling oder Ratterich – denn die Gelehrten des Talmud sind über die beiden naturgeschichtlichen Spezies nicht im klaren und verwechseln oft die eine mit der andern –, erkannte der Mausling, daß dem Spitzmäuserich da oben Amt und Vollmacht geworden, über das Getreide des Gargantua zu wachen, durch welche Investitur er quasi ein andres Wesen geworden, ein Tier, das nur noch Pflicht war, nur noch Spion, Aufpasser und Leuteschinder, kurz, ein Amtsmensch vom Kopf bis zu den Füßen, ganz in Waffen, ganz nur Drohung und Gefahr, der alle mausigen Schwächen, Sitten und Gewohnheiten weit von sich getan, alle Liebhabereien seiner Sippschaft wie Specklecken, Krümchenknuppern, Käsebeschnuppern, Rindenbenagen und andres als pöbelhaften Geschmack verachtete und nichts mehr davon hören wollte, sondern dergleichen tat, als ob er nie eine Käserinde geknappert, nie sein Zünglein an einer Speckschwarte gewetzt hätte.
Dennoch beschloß der Mausling, ein Kerl, gerieben wie ein alter Höfling, der zwei Regentschaften und drei Könige überdauert hat, dem guten Spitzmäuserich ein wenig auf den Zahn zu fühlen und, wenn es möglich wäre, die Würmer aus der Nase zu ziehen zum Heil und Segen aller ratamorphen Kinnbacken auf zehn Meilen im Umkreis.
Sich dergestalt zum Nutzen andrer in die Gefahr zu begeben wäre schon für einen Menschen eine schöne Tat gewesen, um so mehr bei einem Parlamentarier der Mäuse und Ratten, die ohne Gemeinsinn in egoistischer Vereinzelung leben und keine Scham und Tugend kennen, die ohne Gewissen in der Angst eine Hostie bepissen, die ein Meßgewand benagen und blasphemisch, Gott hin, Gott her, aus dem Kelch des Altars trinken würden. Wagte sich also der kühne Mausling unter zierlichen Bücklingen ein paar Schritte vor, dann wieder ein paar Schritte, bis er dem Spitzmäuserich ganz nahe stand, der an Kurzsichtigkeit litt wie alle seine Brüder und Vettern. Alsdann begann dieser Mirabeau des Nagervolks mit pathetischer Rede, nicht im Dialekt der Mäuse, sondern im schönsten und reinsten spitzmäuserischen Hochdeutsch den Gefürchteten folgendermaßen zu harangieren:
»Hoher Herr«, sprach er, »viel Ruhmreiches habe ich vernommen über Eure glorreiche Familie, dessen untertänigsten Diener ich mich zu nennen die Ehre habe, ich kenne alle Chronikbücher, Legenden und Sagen Eurer Vorfahren, die bei den alten Ägyptianern göttlich verehrt wurden wie das Krokodil und andere heilige Vögel. Aber Euer Pelzmantel verbreitet einen so königlichen Duft und ist so unerhört von Farbe und von einem so mirakulös schillernden Glänze, daß ich Mühe habe, Euch als einen Eurer Rasse zu erkennen, da ich noch nie einen Vetter von Euch in solcher Herrlichkeit angetroffen habe. Ich sehe Euch dennoch das Korn knappern nach der guten alten spitzmausigen Methode, Eure Schnauze ist eine unverfälschte Spitzmauseschnauze; ich sehe auch, daß Ihr Euch im Kampf haltet wie ein echter, edler, alter Spitzmäuserich. Aber ein so vollkommener und ganzer Spitzmäuserich Ihr auch sein mögt, so müßt Ihr dennoch, ich weiß nicht in welchem Winkel Eures Ohrs, ich weiß nicht was für einen besonderen Gehörgang haben, den, ich weiß nicht was für eine mirakulöse Klappe auf, ich weiß nicht was für eine besondere Art schließt, und zwar nur auf Euren heimlichen Befehl in gewissen, ich weiß nicht welchen Augenblicken, um Euch in den Stand zu setzen, gewisse, ich weiß nicht was für Dinge nicht zu hören, die Euch, ich weiß nicht aus welchem Grund, mißfallen könnten, weil ihr Anhören Euer feines sakrosanktes, Euer göttliches Ohr, ich weiß nicht warum, unheilbar verletzen müßte.«
»So
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