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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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der Advokat.
    So geschah es, daß allein die schöne Advokatin das Leben lassen mußte. Den Signor Sardini hatte sein Würgengel nur halb erwürgt, er wurde von seinen Leuten aus dem Morast gezogen und erholte sich nach und nach von den Mißhandlungen des Advokaten. Später heiratete er, wie jedermann weiß, die schöne Limeuil, nachdem sie im Zimmer der Königin heimlich mit einem Kindlein niedergekommen war, welchen Unfall die Königinmutter um jeden Preis zu verheimlichen und den Sardini aus großer Liebe durch Heirat gutzumachen suchte. Zum Dank erhielt er von der Königin Cathérine die Herrschaft Chaumont-sur-Loire mitsamt dem Schlosse. Aber er war doch von seinem Advokaten so gekrallt, gewürgt, geknufft und mit Füßen getreten worden, daß er die schöne Limeuil noch im Frühling ihres Lebens zur Witwe machte. Der Advokat wurde nicht verfolgt. Er brachte es im Gegenteil dahin, daß er im letzten Friedensedikt unter denjenigen verzeichnet stand, denen alles vergeben und vergessen sein sollte. Er ergriff von neuem die Sache der Hugenotten, denen er später in Deutschland große Dienste erwies.
    Die arme Advokatin! Betet für ihre Seele; ihr schöner Körper wurde wer weiß wohin geworfen, ohne Gebet und ohne christliches Begräbnis. Denkt an sie, schöne Damen, wenn euch Gott Amor günstig ist.

Die Predigt des lustigen Pfarrers von Meudon

     
    Als Meister François Rabelais zum letztenmal an den Hof König Heinrichs kam, des Zweiten seines Namens, war er bereits darauf gefaßt, dem Gesetz der Natur zu folgen und sein schlampig gewordenes Wams, will sagen sein Fleisch, von sich zu legen (wie es auch noch in demselben Winter geschah), um allein in dem pracht- und machtvollen Geist, in dem herrlichen Geist jener exzellenten menschlichen Philosophie, auf die wir immer wieder zurückkommen, durch alle Ewigkeit weiterzuleben. Der gute Mann hatte damals siebzig wohlgezählte Frühlinge hinter sich, sein harmonisches Haupt war längst kahl geworden, aber war umrahmt von einem wahrhaft patriarchalischen Bart, seine Stirne strahlte vom Glanz des Gedankens, und das stumme Lächeln seines Mundes sprach von einem ewig jungen Herzen. Kurz, er war ein schöner Greis, wie es alle die bezeugen, die das Glück gehabt haben, ihm noch ins Antlitz zu schauen, in dem die Züge des Sokrates und des Aristophanes, zweier Geister, die sich im Leben gehaßt, aber hier Freunde geworden waren, in eins zusammenflossen.

     
    Da nun also in dem genannten Winter dem guten Mann die Ahnung kam, daß über kurz oder lang sein letztes Stündlein schlagen werde, beschloß er bei sich, dem König von Frankreich noch vorher seine Aufwartung zu machen, als welcher in sein Schloß Tournelles gekommen war, infolgedessen Meister François, der in einem Hause bei den Gärten von Sankt Paul wohnte, sich den Hoffast auf Steinwurfweite nahe gerückt sah. Befanden sich aber, als er ankam, in den Gemächern der Königin Cathérine: Frau Diana, die von der Königin aus Gründen der hohen Politik empfangen wurde, der König, der Herr Feldzeugmeister, der Kardinal von Lothringen und der Kardinal Dubellay, die Herren von Guise und mehrere Italiener, die bereits anfingen, sich unter den Fittichen der Königin in großer Zahl am Hof einzuschmuggeln. Waren auch gegenwärtig der Admiral, der Herzog Montgomery, die Herren vom Dienst und einige Hofpoeten, wie Melin de Saint-Gelais, Philibert de l'Orme und Meister Brantôme.

     
    Als der König den Meister François bemerkte, den er wie viele für nichts weiter als einen ausgelassenen Spaßvogel achtete, richtete er sofort das Wort an ihn, und nach einigem Hinundherreden sagte er:
    »Hast du denn deinen Pfarrkindern von Meudon auch einmal eine Predigt gehalten?«
    Meister François nahm dies für einen Scherz, denn er hatte sich in seinem Leben um seine Pfarrei nicht weiter gekümmert, als daß er deren Einkünfte erhoben.
    »Herr König«, antwortete er, »meine Pfarrkinder wohnen allerorten, und meine Predigten hört man, soweit die Christenheit reicht.«
    Mit einem ruhigen Blick streifte der Meister diese Höflinge, die, ausgenommen die Herren Dubellay und von Castillon, nichts andres in ihm sahen als so eine Art gelehrten Triboulet, da er doch der König der Geister war, in einem höhern Sinn König als derjenige, vor dessen gnadenspendender Krone sie alle sich beugten. Und den Guten, der sich bereits mit einem Fuß im Grabe fühlte, wandelte plötzlich die boshafte Lust an, dem Geschmeiß einmal gehörig die

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