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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Herrn und Gebieter der Gedanke gekommen, sie, die Sprecherin, ohne ihr Wissen seinem Gaste zu zeigen, wie sie nackt aus dem Bade gestiegen; da habe den von Roche-Pozay bei ihrem Anblick eine so heftige Liebe zu ihr erfaßt, daß er am andern Tage im Zweikampf seinen Freund erschlagen und sie selber trotz ihres heftigen Sträubens mit Gewalt an sich gerissen und mit sich ins Heilige Land genommen habe, wo sie das Leben derjenigen Frauen geführt, die dort ihrer Schönheit halber mit großer Liebe und Rücksicht behandelt werden. Nach vielen Abenteuern und seltsamen Erlebnissen sei sie, die Sprecherin, trotz Widerstrebens, da ihr Schlimmes ahnte, wieder in unser Land zurückgekommen, weil es der Wunsch ihres derzeitigen Gebieters, des Herrn von Bueil, gewesen, der sich in Asien krank sehnte nach dem Schloß seiner Väter und ihr versprochen habe, sie vor jeder Unbill zu schützen; das habe sie im guten Vertrauen geglaubt, um so mehr, da sie ihn sehr geliebt. Aber kaum in seinem Vaterlande angekommen, sei der Herr von Bueil vom Fieber ergriffen worden und eines elenden Todes gestorben, da er trotz ihrer flehenden Bitten keinerlei heilsame Tränklein zu sich genommen, auch von keinem Doktor, Physikus und Apotheker etwas habe wissen wollen. Alles dies sei die reine Wahrheit.

     
    Haben Wir hierauf die Angeklagte gefragt, ob sie die Aussagen des Herrn Harduin und des Gastwirts Tortebras als der Wahrheit entsprechend anerkenne, und hat die Angeklagte geantwortet, daß sie dieselben zum Teil für wahr und richtig, zum andern Teil aber für verleumderisch, boshaft und dumm bezeichnen müsse.
    Haben Wir ferner die Angeklagte aufgefordert zu erklären, ob sie all den Edelleuten, Bürgern und andern, die in den Zeugenaussagen und Klagen der Einwohner mit Namen angeführt werden, in Liebe und fleischlicher Vereinigung angehört habe?
    Und wurde von ihr, der Angeklagten, mit frechem Ton geantwortet:
    »In Liebe, ja. Aber von weiterem weiß ich nichts.«
    Haben Wir sodann der Angeklagten vorgehalten, daß diese alle durch sie das Leben verloren hätten.
    Wurde von ihr, der Angeklagten, geantwortet:
    Die Besagten seien nicht von ihr und nicht durch ihre Schuld getötet worden; vielmehr habe sie, die Sprecherin, sich ihnen immer verweigert. Aber je heftiger sie selber sich gesträubt, um so dringender seien die andern geworden und hätten sie in ungestümer Leidenschaft bedroht und zuletzt sich ihrer, der Angeklagten, mit Gewalt bemächtigt. Einmal so weit, habe sie sich allerdings in Gottes Namen selber mit größter Leidenschaft hingegeben, da sie eine große Freude darin gefunden und keine höhere Lust gekannt als diese. Wenn sie aber hier ihre heimlichsten Gefühle vor dem Richter entblöße, so tue sie das nur, weil ihr von Uns anempfohlen worden, in allem die Wahrheit zu sagen, und weil sie große Angst vor den Foltern und Torturen habe, mit denen man ihr gedroht.

     
    Haben Wir die Angeklagte unter Androhung der Tortur gefragt, was sie darüber zu sagen wisse, daß so viele junge Edelleute an den Folgen des Verkehrs mit ihr gestorben, und wurde von ihr, der Angeklagten, geantwortet: sie sei darüber selber in die größte Trauer verfallen und habe oft daran gedacht, sich den Tod zu geben; sie sei sich vorgekommen wie eine bösartige Kreatur, die eine ansteckende Krankheit verbreitet, weil die edlen und tugendhaften Jünglinge, die sie geliebt, alle nach kurzer Zeit hingesiecht sind, worüber sie in großem Schmerz zu Gott, der Jungfrau Maria und den Heiligen gebetet habe, sie auch zu sich ins Paradies zu nehmen.
    Ist dann die Angeklagte von Uns gefragt worden, wo sie denn ihre Gebete verrichte.
    Und wurde von ihr, der Angeklagten, geantwortet, daß sie in ihrem Kämmerlein auf den Knien zu Gott bete, der nach den heiligen Evangelien alles sieht und hört und überall allgegenwärtig ist.
    Wurde fernerhin die Angeklagte von Uns befragt, warum man sie nie in einer Kirche gesehen, weder an niedern noch an hohen Festtagen, worauf die Angeklagte geantwortet, daß diejenigen, die sie um der Liebe willen besuchten, am liebsten an Sonn- und Feiertagen zu ihr kamen und daß sie, die Sprecherin, in allem deren Willen getan.
    Hierauf haben Wir der Angeklagten christlich ins Gewissen geredet, daß sie also dem Gebote der Menschen mehr gefolgt als den Geboten Gottes.
    Wurde von ihr, der Angeklagten, erwidert, daß sie für diejenigen, die sie geliebt, sich hätte in Stücke hauen und verbrennen lassen, daß sie in allem nur ihrer Natur

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