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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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gehorcht und daß sie sich um keine Schätze der Welt einem Manne, auch wenn es der König gewesen wäre, ohne Liebe hingegeben hätte, kurz, daß sie nie das Gewerbe einer Dirne getrieben und einem Ungeliebten nicht um einen Deut Liebe verkauft habe. Aber wer sie einmal in seinen Armen gehalten, wer ihr einmal nur ein wenig die Lippen geküßt, dem habe sie angehört für sein ganzes Leben.
    Sodann haben Wir gefragt, woher all die Schätze, wie goldene und silberne Schüsseln, kostbare Steine, prächtige Teppiche et cetera, nach dem Urteil von Sachverständigen im Werte von zweimalhunderttausend Dublonen, stammen, die Wir in ihrer Wohnung gefunden und dem Schatzmeister des Kapitels zur Aufbewahrung anvertraut haben; worauf die Sprecherin geantwortet: daß sie nebst Gott in Uns all ihre Hoffnung setze, daß sie aber dieser Frage nicht Rede stehen könne, da es sich um die süßesten Erinnerungszeichen der Liebe handle, die ihr teurer seien als das Leben selber. Hierauf, von Uns zum zweiten Male aufgefordert zu sprechen, hat die Angeklagte folgendermaßen geantwortet:
    »Wenn Ihr, hochehrwürdiger Herr Richter, wüßtet, wie sehr ich denen ergeben bin, die ich liebe, wie ich ihnen gehorsam folge auf guten und bösen Wegen, wie ich an ihrem Munde, an ihren Augen hänge, um jeden ihrer leisesten Wünsche zu erraten, ja, wie ich sie anbete, so würdet selbst Ihr, hochehrwürdiger Herr, so alt Ihr seid, anerkennen müssen, daß kein Gold und keine Schätze eine solche Liebe erkaufen können. Von keinem Manne, den ich geliebt, habe ich je ein Geschenk erbeten, es war mir genug, daß sein Herz mir gehörte, und ich fand in diesem Besitz so köstliche, so unvergängliche Freuden, daß ich an nichts andres dachte, als ihm diese Freuden tausendfältig wiederzuschenken. Aber trotz meiner Weigerungen bestanden die Liebenden darauf, mich zu beschenken. Einmal kam der eine mit einem Perlenhalsband und sagte: ›Laß sehen, mein Liebchen, ob deine Haut nicht glänzender ist als das Perlengeschmeide‹, und indem er mir den Zierat um den Nacken legte, küßte er mich und war so glücklich, mich dergestalt geschmückt zu sehen, daß ich ihm seine Freude nicht hätte trüben mögen, indem ich sein Geschenk verweigerte. Ein jeder von ihnen hatte einen andern phantastischen Gedanken. Der eine bekam die Laune, die kostbaren Gewänder, mit denen ich mich für ihn herausgeputzt, zu zerreißen, und der andere, mich vom Kopf bis zu den Füßen, am Hals, an Armen und Beinen und in den Haaren mit Edelsteinen und Perlen zu bedecken. Ein andrer wieder breitete die kostbarsten Teppiche vor mir aus und bettete mich auf lange seidene Tücher und schwarzen Samt und verweilte ganze Tage lang in Anbetung meiner Schönheit zu meinen Füßen: allwas mich denn überaus glücklich machte und ich ihnen gern alles zuliebe tat...
    ...Und«, so fuhr die Sprecherin fort, »da wir nichts so sehr liebten wie unser Vergnügen und da es uns wohltut, wenn nach außen und nach innen alles in Schönheit und Harmonie leuchtet und zusammenstimmt, da alle, die mich liebten, mein Gewand mit den schönsten Dingen geschmückt sehen wollten, da alle sich vereinigten, mich mit Gold und Juwelen, mit Blumen, kostbaren Stoffen und Wohlgerüchen zu überschütten, und da ich sah, daß diese Dinge nichts verdarben, so hatte ich keine Kraft mehr, einem Edelmanne oder auch reichen Bürger, sein Geschenk zurückzuweisen. So wurden mir teure Spezereien, die ich so liebe, und andere Kostbarkeiten zuteil, und daher stammen die goldenen Geräte, die von den Personen des Gerichts bei mir gefunden worden sind.«
    Hiermit schließt das erste Verhör der genannten Schwester Claire, die der Hexerei angeklagt ist, und da Wir, der Richter, und Meister Tournebouche von großer Müdigkeit überwältigt, auch durch beständiges Anhören der Stimme der Angeklagten in Unsern Gedanken verwirrt wurden, so ist von Uns, dem Richter, bestimmt worden, das zweite Verhör auf heute in drei Tagen anzusetzen, um weitere Beweise zu finden, ob die genannte Angeklagte von einem Teufel besessen ist.
    Besagte Angeklagte wurde sodann auf Unsern, des Richters, Befehl und unter Führung des Meisters Tournebouche in ihr Gewahrsam zurückgeleitet.
† In nomine Patris, et Filii, et Spiritus Sancti. Amen.
    Am dreizehnten Tage des genannten Monats Februarii ist Uns, Hieronymus Cornill et cetera, die vorhergenannte Schwester Claire zum andernmal vorgeführt worden, zu dem Zweck, über die ihr zur Last gelegten und

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