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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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nachher berühmt wurden unter dem Namen der ›Stiftung einer ausdauernden Liebe‹. Wie jedermann weiß, wurden diese Meisterwerke auf dem Hauptaltar der Kirche von Saint-Germain aufgestellt. Sie gelten noch heute für Arbeiten von ganz unschätzbarem Wert. Der Goldschmied hatte sein ganzes Vermögen dafür ausgegeben. Dennoch verringerte er durch dieses Geschenk seine Wohlhabenheit nicht; diese wuchs vielmehr von Jahr zu Jahr wie der Ruhm seiner Kunst, und der fromme Goldschmied konnte sich nicht nur ein Adelsdiplom kaufen, sondern auch die Ländereien, die dazu gehörten. Er wurde der Stammvater derer von Anselm oder Anseau, die in unserm Tourainer Land durch viele Jahrhunderte in hoher Blüte standen.
    Daraus können wir lernen, daß wir in unsern Unternehmungen auf Gott und seine Heiligen vertrauen und treu ausharren sollen in allen Dingen, die wir als gut anerkannt haben; außerdem, daß wahre Liebe alles überwindet, als welches zwar ein uralter Satz ist, den aber der Autor als eine erfreuliche Wahrheit gern von neuem niederschreibt.

     

Von einem Justizerich, der kein Gedächtnis hatte für das ›Ding an sich‹

     
    Zur Zeit, als unser Herr und König in der guten Stadt Bourges vergnüglich hofhielt und dann auf einmal das lustige Leben ließ, um sein Königreich zu erobern, das er auch in der Tat eroberte, gab es in dieser Stadt einen Polizeimeister, der im Auftrag des Königs für Ordnung sorgte und den man darum den Profos des Königs nannte. Das ist der Ursprung dieses Amts, welches unter dem glorreichen Sohn des genannten Königs zu einer traurigen Berühmtheit gelangt ist durch die Taten des edlen Herrn von Meré, genannt Tristan, der, wiewohl er gar zuwenig Spaß verstand und bei Gott wenig lustig war, in diesen lustigen Geschichten wiederholt vorgekommen ist. Dies sage ich jenen Freunden und Bücherwürmern, die immer mit ihrer Nase in alten Scharteken herumstochern und im Staub modriger Aktenstöße und stinkender Registraturen wühlen, um ihnen zu zeigen, daß mehr Gelehrsamkeit in meinen Geschichten steckt, als es den Anschein hat. Kommen wir zur Sache.
    Ich habe von dem ersten königlichen Profosen gesprochen. Er wurde gemeinhin Schabe oder Schaber genannt, wovon abgeschabt, schäbig, Schabernack und andres abgeleitet wird; andre nannten ihn auch Schamer oder Schamel, was mit Scham zusammenhängt und wovon Schähmel und schämig herkommt; wieder andre, wie die Sueven, hießen ihn Schamle oder Schelmle, und davon kann nichts Rares abgeleitet werden; von noch andern, wie von denen des bieruvarischen Dialekts, wurde er Schamperl, Schlamperl oder Schlampamperl genannt. Die Leute der guten Stadt Bourges nannten ihn kurzweg Lampel, und das ist nach und nach der Name der Familie geworden, die so fruchtbar war und sich fortgepflanzt hat, dergestalt, daß man die Lampelmänner oder Hampelmänner jetzt überall antreffen kann. Und also sei er Lampel genannt auch in dieser Geschichte. Ich habe aber diese gelehrten Etymologien darum hier angebracht, einmal, um auch mein Scherflein zu der beliebten neueren Sprachwissenschaft beizutragen, und dann, um euch einen Wink zu geben, wie die Bürger und andre zu ihren schönen Namen gekommen sind. Doch genug jetzt der Wissenschaft.

     
    Der genannte Profos, der so viele Namen hatte, als es Provinzen gab, wo der König hofhielt, war nach seiner wahren Natur ein rechter Embryo von einem Mensch, den seine Mutter ein wenig allzu nachlässig ausgebrütet hatte. Wenn er zum Beispiel zu lachen meinte, verzog sich bei ihm derart das Maul, wie man es bei einer Kuh sehen kann, die sich anschickt, das Wasser zu lassen. Sein Lachen war am Hof sprichwörtlich geworden, man nannte es ein profosliches Lachen. Als das Wort eines Tags dem König zu Ohren kam, sagte er scherzend: »Ihr irrt, meine Herren, Lampel lacht überhaupt nicht, es fehlt ihm nur das Leder an der Unterlippe.«

     
    Aber trotz seines Lachens, das kein Lachen war, hatte Lampel alle Eigenschaften, die man von einem Polizeimenschen verlangen kann, der ebensoviel Eifer haben muß, das Unkraut auszujäten, als der Teufel Eifer hat, es zu säen. Man kann also nicht sagen, daß er das königliche Kostgeld nicht verdiente. All sein Witz bestand darin, daß er ein wenig Hahnrei war; all seine Ausschweifung, daß er in die Vesper ging; all seine Weisheit, daß er Gott gehorchte, wenn er konnte; all seine Freude, daß er eine Frau im Hause hatte, und all seine Ablenkung von dieser Freude darin, einen Menschen

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