Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
Vom Netzwerk:
seinen Mantel und nähert sich der Türe. Da er nicht sicher ist, worum es sich handelt und ob es nicht um sein Leben gehe, ruft er hinaus, daß er ein Freund Seiner Majestät sei, zu dessen Haus und Dienst er gehöre.
    »Ganz gleich«, ruft der Profos; »ich habe ausdrücklichen königlichen Befehl, daß Ihr mir augenblicklich öffnet, wenn Ihr nicht für einen Rebellen gehalten sein wollt.«
    Blieb dem Grafen nichts andres übrig, als die Tür aufzuschließen.
    »Was sucht Ihr hier?«
    »Einen Feind des Königs, unsres Herrn, und wir befehlen Euch, ihn uns auszuliefern oder in Gefangenschaft mit ihm uns auf das Schloß zu folgen.«
    ›Oho‹, dachte der gute Graf, ›daran erkenne ich den verfluchten Schotten, der mir einen Streich spielen will, weil sich meine Geliebte ihm versagt hat. Nun heißt es, sich mit List aus der Schlinge ziehen.‹ Und er entschloß sich zu einem äußersten Wagnis.
    »Mein Freund«, sagte er zu dem guten Lampel, »ich bin überzeugt, daß Ihr ein Kavalier seid, sosehr es nur ein Profos in seinem Amte sein kann. Ich darf Euch also ein Geheimnis anvertrauen. Wisset denn, daß ich da drin die schönste Dame des Hofes bei mir habe. Was aber die Engländer betrifft, von dieser Fleischsorte habe ich nicht so viel in meinem ganzen Palast, um dem Herrn Mylord Richmond, von dem Ihr geschickt seid, ein Frühstück davon zu machen. Die ganze Angelegenheit – um Euch nichts zu verschweigen – beruht auf einer Wette zwischen mir und dem Herrn Feldzeugmeister, von dessen Partie auch der König ist. Die beiden haben nämlich gewettet, den Namen meiner Geliebten zu erfahren, und ich habe dagegen gewettet. Niemand kann die Engländer mehr hassen als ich, dem sie alle seine Besitzungen in der Pikardie weggenommen haben. Und sagt, ist es nicht eine Verräterei, daß man wegen einer lumpigen Wette die hohe Polizei in Bewegung setzt? Aber wartet nur, mein Herr Feldzeugmeister, Ihr sollt sehen, daß Euch ein Kammerherr gewachsen ist! Ich will Euch schön heimleuchten. Und nun hört mich, mein lieber Lampel. Ich stelle es Euch frei, diese Nacht und auch noch den ganzen Tag alle Winkel und Ecken meines Palastes zu durchstöbern; nur bitte ich mir aus, daß keiner Eurer Schergen mein Schlafzimmer betrete. Dieses Gemach mögt Ihr in Person inspizieren. Ihr könnt im Bett und unter dem Bett suchen, Ihr könnt alles durchwühlen, was Ihr nur wollt, nur verstattet mir die Gunst, daß ich zuvor die schöne Dame, die, wie ein Erzengel gekleidet ist, mit einem Tuch oder Fazenettlein bedecke, damit es Euch ein Geheimnis bleibe, was für einem Herrn Gemahl sie angehört.«
    »Gern!« antwortete der Profos. »Aber wisset, ich bin ein alter Fuchs, der sich nicht ohne weiteres den Schwanz aufheben läßt, und ich will meiner Sache sicher sein, ob die Person auch wirklich eine Dame vom Hofe ist und nicht etwa doch einer von den Engländern, die eine weiße und zarte Haut haben fast wie die Weibsen, was ich wissen muß, schon von Amts wegen, denn ich habe mehr als einen aufgehängt.«
    »Nun denn«, sprach der Graf, »mit Rücksicht auf das Verbrechen, dessen man mich boshafterweise beschuldigt und wovon ich mich rein waschen muß, will ich die Dame bitten, daß sie einwillige, die Schamhaftigkeit einen Augenblick beiseite zu setzen; sie liebt mich zu sehr, als daß sie nicht alles täte, um mich von dem schmählichen Verdacht zu reinigen. Ich will ihr sagen, daß sie sich umdrehe und Euch eine Physiognomie zeige, die Euch nicht mehr verrät, als notwendig ist, ohne Euch im Zweifel darüber zu lassen, daß es sich um eine vornehme Dame handelt, wenn Ihr auch nur ihren Hintern seht.«
    »Gut«, sagte der Profos.
    Dieses Gespräch hatte die Dame drinnen wohl erlauscht. Sie versteckte sorgfältig ihre Kleider unter das Kopfkissen, das Hemd mit eingerechnet, dessen Korn der Mann leicht erkannt hätte, umwickelte ihren Kopf mit einem Bettuch und zeigte der Zimmerdecke jene üppige Fleischlichkeit, die durch die Wirbelsäule so kokett in zwei Hälften geteilt ist.
    »Tretet ein, mein guter Freund«, rief der Graf.
    Der Justizerich schaute in den Kamin, öffnete Schränke und Truhen, leuchtete unter das Bett, kurz, durchsuchte jeden Winkel des Zimmers und machte sich endlich daran, den Bettgast selber zu beaugenscheinigen.
    »Verzeiht, hoher Herr«, sagte er nach einer genauen Inspektion der ihm legitim zugehörenden liegenden Güter, »verzeiht, ich habe einige junge Engländer gehängt, die in dieser Gegend ein ganz ähnliches

Weitere Kostenlose Bücher