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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Damit fing sie an zu flennen und jammerte und nannte sich eine arme Unglückliche, eine Verratene, daß er, der Justizerich, gar nicht mehr wußte, was er sagen sollte.
    »Was ist denn? Was hast du?« stotterte er. »Was soll ich nur tun?« »Oh«, klagte und jammerte sie, »du wirst mich kein bißchen mehr lieben, nachdem du gesehen hast, wie so vornehme Damen beschaffen sind.«
    »Ach, mein Schätzchen«, tröstete er, »das sind große Damen, und verteufelt groß, das kann ich dir sagen, ist alles an ihnen.«
    »Ist das wahr?« fragte sie lächelnd – »und mit mir ist es besser beschaffen?«
    »Um eine ganze Spanne«, versetzte er ganz verzückt.
    »Ach Gott«, seufzte sie von neuem, »müssen die glückselig sein mit so viel, da ich es schon so sehr bin mit dem wenigen.«
    Nach solchen Reden erachtete es der Profos an der Zeit, das eitle Räsonieren einzustellen und zu gewichtigeren Argumentationen überzugehen, um seine Frau die kreuz und quer zu widerlegen und bis auf den letzten Rest zu überzeugen, daß Gott die Kleinen nicht weniger zur Seligkeit berufen habe als die Großen.
    Daraus ersehen wir, daß die Sekte der Hahnreie stärker ist im Glauben als irgendeine andre der Christenheit.

     

Von dem Mönch Amador, der nachher glorreicher Abt von Turpenay wurde

     
    Ein feines Regengeriesel ging nieder, und ein Wetter war's, bei dem die Damen, wenn sie auch sonst das Feuchte lieben, gern zu Hause bleiben und ihre Courmacher gemütlich zwischen ihren vier Wänden empfangen, so nahe als möglich bei ihren Röcken. Auf dem Kastell von Amboise saß die Königin in der Vertiefung ihres Fensters zwischen den Vorhängen und arbeitete zum Zeitvertreib an der Stickerei einer Tapete. Sie hatte aber wenig acht auf ihre Nadel, sondern sah immer wieder dem Regen zu, der in die Loire tropfte. Kein Wort kam von ihren Lippen, sie war ganz in ein melancholisches Träumen versunken, und ihre Hofdamen taten pflichtschuldigst das gleiche. Der gute König aber unterhielt sich mit einigen Herren vom Hof, die ihn von der Kapelle hierher begleitet hatten, denn es war Sonntag und die Stunde nach der Vesper. Er wurde der ernsten Gespräche bald müde, und nun fiel ihm auf, wie trüb und gelangweilt die Königin dreinschaute und mit ihr die Damen des Hofes. Er erriet die heimlichen Gedanken der Frauen.
    »Ist denn mein Abt von Turpenay nicht hier?« fragte er plötzlich.

     
    Bei diesen Worten näherte sich dem König jener Mönch, der einst Ludwig dem Elften hochselig durch seine Bittgesuche so lästig gefallen war, daß der gute Monarch, um ihn loszuwerden, dem Gevatter Tristan befohlen, ihn aufzuhängen, was aber keineswegs geschah, da Meister Tristan, wie es in der Geschichte des genannten Königs im ersten Zehent berichtet worden ist, aus Verwechslung einen andern dafür gehängt hat.
    Dieser Mönch war unterdessen ein Mann geworden, dem seine Tugenden sichtbar anschlugen, so dick und fett war er, und dessen Geist auf einem breiten roten Gesicht im hellsten Lichte strahlte. Er gefiel sehr den Damen, die ihn mit Wein, Kuchen und ausgewählten Bissen nur so vollstopften und zu all ihren Schmausen, Gastereien und Festen einluden; denn er gehörte zu jenen lustigen Kostgängern Gottes, die überall beliebt sind mit ihren soliden Kinnladen, weil sie ebenso viele gute Reden bereit haben, als sie gute Bissen verschlingen. Es war aber dieser Abt ein gefährlicher Gevatter, der unter seiner Kutte den Damen die kribbligsten Geschichten zuflüsterte, worüber sie sich nicht wenig empörten, nachdem sie sie angehört. Denn natürlich konnten sie sich nicht darüber empören, ehe sie sie gehört hatten.

     
    »Mein ehrwürdiger Vater«, sprach der König, »die Dämmerstunde bricht herein, da kann man den Damen ein lustiges Abenteuer erzählen, ohne daß sie zu erröten brauchen, dessen ja doch niemand gewahr würde. Erzählt uns einen guten Schwank, einen richtigen Mönchsschwank. Ich werde mit Vergnügen zuhören und auch die Damen; denn wir haben lange nichts Lustiges gehört.«
    »Eurer Herrlichkeit zuliebe willigen wir ein«, sprach die Königin; »aber der Herr Abt geht gern ein wenig zu weit.«
    »Nun denn, mein Vater«, antwortete der König, indem er sich gegen den Mönch umwandte, »so lest uns eine fromme christliche Ermahnung, um die hohe Frau zu unterhalten.«
    »Herr König, meine Augen sind schwach, und der Tag neigt sich.«
    »Erzählt also eine Geschichte, die nicht weiter geht als bis zum Gürtel.«
    »Oh«, sprach

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