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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Gesicht hatten. Ihr müßt mir schon erlauben, daß ich meines Amtes walte und auch die Kehrseite der Medaille prüfe.«
    »Was nennt Ihr die Kehrseite?« fragte der Graf.
    »Herr«, antwortete Lampel, »die andere Seite. Kurz, die Seite, die bei der Umkehrung herauskommt.«
    »So wollet gütigst erlauben, daß die gnädige Frau sich bedecke und Euch nur so viel zeige, als eben nötig ist«, sagte der Graf, der wohl wußte, daß die Bürgerin einige Leberflecke hatte, an denen sie der Ehemann erkennen konnte. »Und«, fuhr er fort, »dreht Euch ein wenig auf die Seite, der Schicklichkeit halber.«
    Das liebe Weibsen lächelte ihrem Freund dankbar zu, küßte ihn verstohlen für seine Besonnenheit und tat, was zu tun war, also daß der Mann, nachdem er sich umgedreht hatte, das zum erstenmal sah, was sie ihn nie hatte sehen lassen und was ihn gründlich überzeugen mußte, daß kein Engländer in dieser Frau stak, es sei denn, daß es einer war, der sich in eine hübsche Engländerin verwandeln konnte.
    »Es ist wahrhaftig eine Dame vom Hofe«, flüsterte er dem Grafen ins Ohr. »Unsre guten Bürgersfrauen sind nicht von so stolzem Wuchs und so ausgesuchtem Geschmack.«
    Er ließ dann noch den ganzen Palast durchsuchen, fand auch nicht ein Ohrläppchen von einem Engländer und begab sich darauf nach dem königlichen Schloß zum Rapport, wie es ihm der Feldzeugmeister eingeschärft.
    »Ist er ermordet?« rief dieser ihm schon unter der Türe entgegen.
    »Wer?«
    »Derjenige, der Eure Stirne mit Hörnern bepflanzt hat.«
    »Ich habe nichts gesehen als ein Weib im Bette des Grafen, der im besten Zuge war, sich mit ihr einen guten Tag oder vielmehr eine gute Nacht zu machen.«
    »Du hast diese Frau mit deinen eigenen Augen gesehen, verfluchter Hornschädel? Und hast deinen Nebenbuhler nicht erwürgt?«
    »Nicht eine Frau, eine Dame vom Hofe.«
    »Gesehen?«
    »Und berochen von beiden Seiten.«
    »Was wollt Ihr damit sagen?« fragte der König, indem er lachte, daß er sich den Bauch hielt.
    »Ich will sagen, unbeschadet des Respekts vor Eurer Königlichen Majestät, daß ich die Seite und die Kehrseite der Medaille inspiziert habe.«
    »Du kennst also nicht einmal das Ding deiner Frau, alter Schlapperich? Wahrlich, du verdientest gehängt zu werden.«
    »Das, wovon Eure Majestät spricht, ist mir zu ehrwürdig bei meiner Frau, um es mit Blicken zu entweihen. Und sie selber ist ein zu frommes und ehrbares Ehegemahl, um mir auch nur ein Zipfelchen davon sehen zu lassen.«
    »Sie hat recht«, sprach der König, »so was ist nicht gemacht, um gezeigt zu werden.«
    »Oh, du alte Coquedulle«, rief der Feldzeugmeister; »es war deine Frau!!!«
    »Hoher Herr, die Ärmste schläft daheim in ihrem Bett.«
    »Auf denn, zu Pferde, und wenn wir sie zu Hause finden, so will ich dir nur hundert Streiche mit dem Ochsenziemer aufzählen.«
    Kommt also der Feldzeugmeister mit dem Profosen in fliegendem Galopp vor das Haus des Justizerichs: »Holla, he!« Und erhebt ein Geschrei und einen Lärm, daß die Wände einzustürzen drohten. Schüchtern öffnet sich die Türe und zeigt die kleine Zofe im Hemd, die gähnt und sich streckt. Der Feldzeugmeister aber und der Justizerich stürmen hinauf nach der Kammer, wo sie alle Mühe haben, die gute Bürgerin zu erwecken, die mit Matzen in den Augenwimpern sie ganz schlafwirr anstierte.
    Da war es an Herrn Lampel zu triumphieren. Er versicherte dem Feldzeugmeister, daß man ihn offenbar genasführt habe, denn seine Frau sei ehrbar wie nur eine.
    In der Tat konnte sie sich von ihrem Verwundern gar nicht erholen. Der Feldzeugmeister zog sich zurück, und der gute Lampel fing an, sich das Wams und die Hosen aufzuknöpfen, denn das Abenteuer hatte ihm seine Frau wieder ins Gedächtnis gebracht. Unterdessen war die gute Bürgerin immer noch nicht von ihrem Erstaunen zurückgekommen.

     
    »So sagt doch, mein Liebling«, begann sie, während er an sich herumnestelte, »was denn nur dieser Lärm zu bedeuten hatte und wo der Herr Feldzeugmeister und seine Pagen mitten in der Nacht plötzlich hergekommen sind? Sollte es etwa von nun an zur Obliegenheit der Feldobersten gehören, bei Nacht die Schlafkammern der Eheleute zu inspizieren?«
    »Ich weiß nicht«, antwortete Lampel. Und während er zu seiner Frau unter die Decke kroch, begann er ihr haarklein zu erklären, was sich alles in der Nacht zugetragen.
    »Und du hast ohne meine Erlaubnis«, sagte sie, »die ›Visionomie‹ einer Hofdame gesehen!«

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