Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
Vom Netzwerk:
»ich weiß, warum Euer Angesicht so blaß ist.«
    »Nun, warum?« fragte sie.

     
    »Ihr seid so schön, und Euer ganzes Wesen fordert so ungestüm zur Liebe auf, daß der König Euch Tag und Nacht keine Ruhe gibt, keinen noch so kleinen Waffenstillstand gewährt in dem Krieg und Kampfspiel, die Gott Amor zwischen zwei Liebenden zu entzünden pflegt. Ihr mißbraucht aber Eure Macht über den armen König und werdet ihn in ein frühzeitiges Grab liefern.«
    »Was kann ich denn tun«, sprach die Königin, »um ihn am Leben zu erhalten?«
    »Ihm verbieten, mehr als dreimal täglich auf Eurem Altar zu opfern.«
    »Ihr scherzt wohl, lieber Ritter, wie es so im Frankenland Sitte ist«, erwiderte die Dame; »der König hat mir erklärt, daß mehr als ein Opfer in der Woche schon den Tod nach sich zieht.«
    »Er hat Euch getäuscht«, sprach Gautier, während er an der Tafel Platz nahm; »ich kann Euch im Gegenteil beweisen, daß die Liebe auf dem Altar einer Königin wie der gewöhnlichen Frauen täglich opfern muß und wiederholt, daß sie weder die Metten noch die Vesper, noch die Kompletorien, ein eingestreutes kleines Ave hie und da nicht zu zählen, versäumen darf, kurz, daß sie wie die frommen Mönche in ihren Klöstern allstündlich zur Andacht in Inbrunst bereit sein muß, und für Euch, Frau Königin, sollte die süße Litanei überhaupt niemals aufhören.«
    Die Königin warf dem Ritter einen Blick zu, in dem mehr Wohlgefallen als Zorn ausgedrückt lag.
    »In diesem Punkt«, sprach sie mit leisem Achselzucken und Kopfschütteln, »sind die Männer allzusammen große Lügner.«
    »Ich habe im Gegenteil«, antwortete der Ritter, »eine große Wahrheit bei mir, die ich Euch auf Wunsch vorzeigen will. Und gern mache ich mich anheischig, mein Wort einzulösen, so daß Ihr in kurzer Frist viel verlorene Zeit einholen und reichlich sollt entschädigt werden für die Entbehrungen, die Euch der König auferlegt, der sich an andern zugrunde richtet, während alle Vorteile meiner Jugend allein zu Euern Diensten sein sollen.«
    »Aber der König wird Euch den Kopf vor die Füße legen, wenn er von unserm Handel erfährt.«
    »Und wenn das auch geschehen sollte, und schon nach der ersten Nacht, würde doch das Glück, was ich bei Euch gefunden, mehr als hundert Jahre Leben aufwiegen; denn wer auch alle Höfe der Welt gesehen, wäre doch niemals einer Fürstin begegnet, die sich an Schönheit mit Euch messen könnte. Und ist es nicht gleich, so oder so das Leben zu verlieren? Denn seht, wenn ich auch nicht durch das Schwert umkomme, bin ich doch fest entschlossen, mein Leben tropfenweise für Euch hinzugeben und in der Liebe zu Euch den Tod zu trinken, insofern man den Tod trinken kann an der Quelle, die der Ursprung des Lebens ist.«
    Niemals hatte die gute Königin solche Reden gehört, und ihr könnt euch denken, daß sie wohlgefälliger darauf lauschte als auf die schönste Musik beim Hochamt. Das sah man an ihrem Gesicht, das sich mit einer sanften Röte überzog, weil die Worte des Ritters ihr Blut in höhere Wallungen versetzten, dergestalt, daß alle Saiten ihrer Laute vibrierten und zu einem Akkord zusammenklangen, der ihr Seele und Leib und alle Nerven durchzitterte. Denn so lag es in ihrer Natur. Sie war jung, schön, Königin, Spanierin, und sie sah sich getäuscht und elend hintergangen. Und wie sie die Höflinge um sich her verachten müßte, die geschwiegen hatten zu dem Verrat aus Furcht vor dem König! Sie beschloß, sich zu rächen, zu rächen mit Hilfe dieses tapferen Tourainers, der sich so unbekümmert um sein Leben zeigte, daß er es sorglos aufs Spiel setzte, indem er vor der Königin eine Sprache führte, die ihn töten mußte, wenn die Fürstin sich an ihre Pflicht erinnerte. Aber sie tat das Gegenteil, sie setzte die Spitze ihres Fußes auf den seinigen und drückte ihn in einer Weise, die nicht mißzuverstehen war.
    »Teurer Ritter«, sagte sie laut, »ändern wir das Thema; es ist schlecht von Euch, eine arme Königin an ihrem schwächsten Punkt anzugreifen. Erzählt uns lieber etwas von den Sitten der Damen am Hofe von Frankreich.«
    Diese Worte wollten dem Ritter sagen, daß die Sache abgemacht sei. Er begann darauf so lustige Geschichten und Schwanke zum besten zu geben, so kühne und tolle Abenteuer zu berichten, so witzige und spitzige Anekdoten zu erzählen und damit während der ganzen Mahlzeit den König, die Königin und alle Höflinge in solcher Kurzweil und Heiterkeit zu erhalten, daß

Weitere Kostenlose Bücher