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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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bedürftig.«
    »Wäre das ein Glück?«
    »Ihr seid nicht auf den Kopf gefallen, Ihr schlagt mich mit jedem Wort. Beim heiligen Markus, Herr Franzose, kann man Euch vertrauen?«
    »Mehr als Euch«, antwortete der Franke. »Ihr fangt Eure ritterliche Freundschaft damit an, daß Ihr mich betrügt. Ihr habt mir gesagt, Euch verirrt zu haben, aber Ihr lenkt Euer Pferd wie einer, der nicht nötig hat, den Weg zu suchen.«
    »Und habt Ihr mich nicht ebenfalls betrogen, indem Ihr mir zu Fuß als ein Bauer entgegenkamt? Aber da ist die Herberge. Meine Diener haben das Essen bereitet.«
    Der fränkische Ritter sprang vom Pferd und betrat mit dem Venezianer, dessen Einladung er annahm, den Saal der Gastwirtschaft. Das Essen wurde aufgetragen, und der französische Ritter bewies, daß er in Essen und Trinken nicht weniger Bescheid wisse als in klugen Reden: er aß für sieben, und wie oft er auch die Kannen leerte, trübte er damit doch nicht im geringsten die Klarheit seines Auges und seines Verstandes. Da sah der Venezianer, daß er es mit einem Kerl zu tun habe, der nicht nur das Herz, sondern auch die Leber auf dem rechten Fleck hatte.
    Indem sie also zusammen becherten, versuchte er es, dem neuen Freund hinter seine Gedanken zu kommen. Aber er konnte sich bald überzeugen, daß es leichter gewesen wäre, dem Franzosen das Hemd vom Leibe, als die Würmer aus der Nase zu ziehen. Blieb ihm daher nichts andres übrig, als sich selber das Wams aufzuknöpfen und eingehend davon zu reden, wie die Dinge standen in Sizilien. Er sprach von König Leufried und seiner schönen Gemahlin, von den galanten Sitten des Hofes, wo man spanische, französische, italienische und andre hohe Herren in bevorzugten Stellungen antreffe; er sprach von Prinzessinnen, die ebenso reich seien wie vornehm und ebenso schön wie reich; er sprach von den ehrgeizigen Plänen des Königs, der sich mit dem Gedanken trug, Morea, Konstantinopolis, Jerusalem und alle Länder des Sultans in Asien und Afrika zu erobern; von den Staatsmännern des Königs, die es verstünden, die Blüte der ganzen christlichen Ritterschaft auf dieser Insel zusammenzuziehen, in der Absicht, die Herrschaft Venetiens zu brechen, das nicht einen Daumen breit Landes besaß, und Sizilien von neuem zur Königin des Mittelländischen Meeres zu erheben, was es schon einmal im Altertum gewesen war.

     
    Er gestand, daß er es war, der dem König, bei dem er in großer Gunst stand, diesen Gedanken eingeflüstert, und sprach zuletzt davon, wie er trotz der königlichen Gunst und Gnade sich schwach fühle und voll Mißtrauen auf sein Glück, weil er allein sei und ohne Freunde. Über diese Lage nachdenkend, sei er ausgeritten, und da habe ihm der Himmel den Mann in den Weg gestellt, der nach seiner Meinung alles erfülle, um der Freund zu werden, nach dem er seit Jahren schon suche.
    Forderte daraufhin den Franzosen auf, sich ihm als Bruder anzuschließen, und stellte ihm seine Börse und seinen Palast zur Verfügung. Wenn sie nur treu zusammenhielten, so schloß er seine Rede, Glück und Ruhm ehrlich teilten, keiner ein Geheimnis hätte vor dem andern und sich treulich unterstützten wie Waffenbrüder auf einem Kreuzzug, könnte es ihnen nicht fehlen, das Ziel ihrer kühnsten Wünsche zu erreichen, und da jener, der Franzose, das Glück suche, wozu er Unterstützung brauche, so hoffe er, der Venezianer, mit seinem Antrag nicht zurückgewiesen zu werden.
    »Obwohl ich«, gab der Franzose zur Antwort, »in Wahrheit keines andern Menschen Beistand bedarf, da ich mich auf eine Sache verlassen kann, die stark genug ist, um mir alle Hindernisse aus dem Wege zu räumen, bin ich Euch dennoch dankbar, Herr Ritter Pezzara, für Euer freundliches Entgegenkommen und hoffe, daß Euch der Ritter Gautier von Montsoreau aus dem schönen Tourainer Land bald seinerseits zu Dank verpflichten wird.«
    »Besitzt Ihr eine kostbare Reliquie, die Euch Euer Glück verbürgt?« fragte der Venezianer.
    »Einen Talisman«, erwiderte der Mann aus dem Tourainer Land, »den mir meine Mutter schon in der Wiege mitgegeben und womit so gut Schlösser und Städte gebaut und zerstört werden wie mit dem Schwert, einen Hammer, um mir Münze zu schlagen nach Wohlgefallen, ein Heilmittel gegen alle Übel, einen Stab auf die Reise, für den ich nicht wenig erhalte, wenn ich ihn zum Pfand einsetzte, ein Werkzeug höchsten Ranges und unübertrefflicher Vollkommenheit, das in der rechten Schmiede geräuschlos wunderbare Arbeit

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