Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)
vermag.«
»Beim Löwen von Sankt Markus«, rief der Venezianer, »Ihr scheint ein seltsames Mysterium unter Eurem Panzerhemd zu tragen!«
»Keineswegs«, entgegnete der Herr aus Frankenland, »es ist eine ganz natürliche Sache. Da seht selber.«
Und indem er sich erhob, um sich für die Nacht zu entkleiden, zeigte er dem Venezianer sein Werkzeug, und war dieses von solcher Vollkommenheit, wie der Venezianer im Leben nicht geschaut.
»Das ist mein Zauberstab«, sprach er, »der mir alle Hindernisse wegräumt, mein Schlüssel, der alle Frauenherzen aufschließt, und da die Frauen Königinnen sind an diesem Hof, kann es nicht fehlen, daß Euer Freund Gautier hier herrschen wird über kurz oder lang.«
Darauf gingen beide nach der Sitte der Zeit in demselben Bette zur Ruhe, und der Venezianer konnte sich lange nicht erholen von seinem Erstaunen über die geheime und verborgene Schönheit seines neuen Freundes, den seine Mutter und vielleicht auch sein Vater derart ausgestattet hatte, daß er überall siegen mußte, um so mehr, als er mit dieser prachtvollen Körperlichkeit den muntern Geist eines Pagen und die gesetzte Weisheit eines Alten verband.
Also schwuren sich beide ewige Kameradschaft, mit Geringschätzung aller Freundschaft der Frauen, sie schwuren sich, von nun an nur noch ein Gedanke zu sein, gleichsam nur noch ein einziger Kopf, und beglückt von ihrer Einigkeit und Brüderlichkeit, schliefen sie Seite an Seite auf demselben Kopfkissen. Denn so haben sich in jenen Zeiten die Sachen zugetragen.
Am andern Morgen schenkte der Venezianer seinem Bruder Gautier ein schönes Pferd, item eine Gürteltasche, ganz voll von kleinen und großen Münzen, item ein golddurchwirktes samtenes Wams mit seidenen Ärmeln nebst einem Mantel mit goldenen Spangen und Borten, welche Kleider sein stolzes Aussehen noch erhöhten, seine Schönheit erst ins rechte Licht setzten, wie denn der Venezianer nicht mehr zweifelte, daß dem Freund keine Dame werde widerstehen können. Seinen Dienern gab Pezzara Befehl, den Herrn Gautier zu bedienen als ihren eignen Herrn.
So ausgestattet, hielten beide ihren Einzug in Palermo. Es war zur Zeit, als gerade der König und die Königin lustwandelten in den Gärten des Schlosses, und Pezzara ergriff die Gelegenheit, seinen fränkischen Freund den fürstlichen Personen vorzustellen. Er rühmte solchergestalt die Verdienste des Tourainers, daß ihn der König aufs freundlichste empfing und sofort zur Mahlzeit zurückbehielt.
Mit einem Blick wurden dem fränkischen Ritter tausend Geheimnisse offenbar. Der König war ein Fürst voll Schönheit und Tapferkeit, und die Königin, mit dem heißen Geblüt der Spanierinnen, die schönste und stolzeste Dame des Hofes. Aber an einem melancholischen Zug um ihren Mund erkannte Gautier, daß sie vom König vernachlässigt werde, da, nach einem alten Tourainer Sprichwort, die Freude des einen Gesichts von der Freude des andern kommt. Pezzara bezeichnete seinem Freund Gautier mehrere Damen, denen Leufried ausgiebig den Hof mache, die wütig aufeinander seien in verliebter Eifersucht und sich überboten in weiblichen Liebespraktiken und galanten Erfindungen, um sich gegenseitig den Rang abzulaufen. Daraus entnahm Gautier, daß der König, obwohl er die schönste Frau der Welt sein eigen nannte, ein großer Hurer war vor dem Herrn, der gern alle Schönen seines Königreiches besessen hätte und seinen Gaul, als welcher bei immer gleichem Futter den Appetit verlor, am liebsten jede Nacht in einem andern Stall anband. Nachdem der Tourainer also das Treiben des Fürsten durchschaut und sich überzeugt hatte, daß niemand am Hofe je den Mut gefunden, die arme Königin aufzuklären, beschloß er bei sich in seinem Herzen, mit einem Schlag von dem Acker der schönen Hispanierin Beschlag zu nehmen und frech auf königlichem Feld seine Fahnenstange aufzupflanzen. Und folgendermaßen griff er es an.
Um dem fremden Ritter eine Höflichkeit zu erweisen, befahl der König, daß Herr Gautier zur Abendmahlzeit seinen Platz neben der Königin habe. Bot also Herr Gautier der Fürstin seine Hand und war darauf bedacht, in einem gewissen Abstand den andern voranzuschreiten, um gleich mit dem ersten Wort die Königin auf ein Thema zu bringen, das den Damen nie zuwider ist, von welchem Stand und Rang sie auch sein mögen. Ihr würdet es kaum glauben, wie er seine Worte wählte und wie geradewegs und kühn er auf sein Ziel losging.
»Frau Königin«, begann er,
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