Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)
angeschmiert, als welche, in dem Komitat angelangt, sich so wenig am Ziel ihrer Wünsche sahen, daß sie gezwungen waren, den Weg erst recht unter die Füße zu nehmen und die Schneealpen zu übersteigen, um die genannte Stadt Rom zu erreichen, wo sie allein das Remittimus ihrer buntscheckigen Sünden erhoffen durften. Man traf damals auf den Heerstraßen und in den Herbergen eine Menge derer, die den Orden der Kainsbrüder um den Hals oder die Blume der Reu und Buße im Knopfloch trugen, große Missetäter vor dem Herrn, mit einem Wort, deren Seelen über, und über bedeckt waren mit dem eklen Aussatz der Sünde und die brannten vor Verlangen nach den pontifikalen Reinigungswassern, nach dem ›Teich von Bethesda‹ in der Sakristei von Sankt Peter. Sie trugen alle nicht wenig Gold und andre Kleinodien bei sich, um sich damit loszukaufen, die Sporteln für die päpstliche Bulle zu bezahlen und an den Altären der Heiligen zu opfern. Wenn sie auf dem Hinweg sich mit Wasser begnügten, so mußte es auf dem Herweg wenigstens Weihwasser sein; aber von dem, das man in den Kellern findet.
Zu dieser Zeit kamen drei Pilger nach der obengenannten Stadt Avignon, die zu ihrem und der Pilger Schaden gerade zur päpstlichen Strohwitwe geworden war. Als sich diese drei Pilger von hier weiter auf den Weg machten, den Fluß Rhodanus entlang, dem Mittelländischen Meer entgegen, war einer davon, der seinen kaum zehnjährigen Sohn mit sich geführt, unvermerkt zurückgeblieben, und erst vor der Stadt Mailand stieß er, aber ohne seinen Sohn, wieder zu den beiden Genossen. In der Herberge feierten sie darauf das Wiedersehen mit einem ordentlichen Gastieren und Trinken; denn sie hatten schon geglaubt, der Verschwundene sei aus Ärger, weil er den Papst nicht in Avignon angetroffen, unbußfertig und unverrichteter Sache wieder umgekehrt.
Von diesen drei Romfahrern kam der eine aus der Stadt Paris, der andre aus Deutschland, und der dritte, der offenbar seinen Sohn auf der Reise hatte unterrichten wollen, stammte aus dem Herzogtum Burgund, wo er ein Lehen innehatte und als der nachgeborene Sohn des Hauses von Villers-la-Faye den Namen von La Vaugrenand führte. Der Baron von jenseits des Rheinstroms war mit dem Bürger aus Paris bei der Stadt Lyon zusammengestoßen, und zu den beiden hatte sich kurz vor Avignon der Edelmann aus Burgund gesellt.
In der genannten Herberge ließen die drei ihrer Zunge freien Lauf und sprachen vor allem darüber, wie sie ungefährdet und wohlbehalten in Rom ankommen und sich bewahren möchten vor den Beutelschneidern, Buschkleppern, Schnapphähnen und anderm lichtscheuen Raubgeziefer, das sich einen Beruf daraus machte, die Pilger einstweilen von dem zu erlösen, was ihnen auf dem Leibe lastete, in Erwartung, daß der Papst sie von dem löste, was ihr Gewissen bedrückte.
Nach dem Trinken ergingen sich die drei Pilger erst recht in heitern Reden, da kein Zauber so sehr die Zunge frei und lebendig macht als der Wein. Und alle drei gestanden übereinstimmend, daß nichts als das Weibszeug oder das Zeug des Weibes schuld sei an ihrem Büßerlos. Die Magd, die ihnen beim Trinken zusah, erklärte verwundert, von hundert, die in der Herberge einkehrten, sei es bei mindestens neunundneunzig ebenso bestellt, woraus die drei erkannten, wie verhängnisvoll das Weib sei für den Mann. Der Baron zeigte eine schwere goldene Kette vor, die er unter seinem Panzerhemd bei sich trug, um sie dem Heiligen Vater in Rom zu verehren; seine Sünde aber sei so groß, sagte er, daß er kaum hoffen dürfe, sich mit dem zehnfachen Wert dieser Kette loszukaufen. Der Pariser Bürger zog seinen Handschuh ab, ließ einen großen Diamanten im Licht der Kerze blitzen und sagte, daß er dem Papst hundertmal soviel bringe, als der Stein wert sei. Der Burgunder nahm aus dem Versteck seiner Mütze zwei große Perlen, so groß wie Taubeneier, die als Ohrgehänge Unserer Lieben Frau von Loreto vortrefflich zu Gesicht stehen mußten. Der Edelmann gestand, daß er sie am Halsband seiner Dame lieber sehen würde, und die Magd der Herberge, ganz geblendet vom Anblick so kostbarer Kleinodien, tat die Äußerung, die Verbrechen der drei Pilger müßten groß sein wie die der Visconti.
So groß seien ihre Übeltaten, gestanden die drei, daß sie geschworen hätten, ein jeder in seiner Seele, nie wieder in ihrem Leben an ein Weib zu rühren, wenn es auch die schönste Dame der Welt wäre, und von dieser Enthaltung nicht abzugehen, was
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