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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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ihnen der Papst auch obendrein zur Buße noch auferlegen möge. Mußte sich die Magd nur wundern, daß sie alle drei dasselbe Gelübde getan. »Allein dieses Gelübde«, erzählte der Burgunder, »war der Grund, warum ich in Avignon mich plötzlich von euch getrennt habe. Ich sah die Gefahr des Weibes meinem Sohn drohen, trotz seinem zarten Alter, und da ich geschworen hatte, im Umkreis meiner Gewalt niemandem mehr, weder Mensch noch Tier, das süße und verderbliche Spiel zu erlauben...«
    »Ihr wißt«, erzählte hernach der Burgunder, aufgefordert vom deutschen Baron, »daß die gute Gräfin Jeanne d'Avignon einst eine Verordnung erlassen hat, wonach jene ungefiederten Nachtvögel, die ihr kennt, in eine Vorstadt eingeschlossen wurden, wo sie in bordellierten, id est wohlverzäunten Häuschen mit verschlossenen roten Fensterläden wohnen mußten. Indem ich nun in eurer Gesellschaft durch die verfluchte Vorstadt zog, wurde mein Bube, denn so ein Springinsfeld von zehn Jahren läßt seine Augen überall herumgehen, aufmerksam auf die rotgemalten Läden, zupfte mich am Ärmel und quälte mich mit tausend Fragen über die Häuser und was man darin mache, bis ich ihm, um Ruhe zu bekommen, erklärte, das seien die Orte, wo die Menschen gemacht werden, Männlein und Weiblein, und wo jedem, der von der Sache nichts versteht, gräßliche Gefahren drohten. Ich sprach ihm von fliegenden Kröten, Vampiren und andern Scheusalen, die dem Uneingeweihten dort ins Gesicht flögen und ihn kannibalisch zurichteten. Junge Knaben aber setzten ihr Leben aufs Spiel, wenn sie je ein solches Haus beträten. Da bekam es der Schlingel mit der Angst und wagte keinen Blick mehr nach den verdächtigen Fensterläden zu werfen. Scheu und furchtsam schlich er hinter mir drein nach der Herberge. Als ich aber hier den Stall aufsuchte, um wegen unsrer Pferde nach dem Rechten zu sehen, schlich er sich davon wie ein Dieb, und niemand konnte mir sagen, wo er geblieben. Da hatte ich starke Befürchtungen vor den Weibsen, tröstete mich aber mit der Verordnung, die nicht gestattete, daß Knaben von diesem Alter eingelassen werden. Erst zur Stunde der Mahlzeit erschien der Schlingel wieder. Er machte aber ein verlegeneres Gesicht als unser göttlicher Heiland unter den Schriftgelehrten des Tempels. ›Nun, woher?‹ rief ich ihm zu. ›Von den Häusern mit den roten Läden‹, antwortete der Lausbub. Ich drohte ihm mit der Peitsche, wenn er mir nicht haarklein alles erzählte, was ihm begegnet, und unter Flennen und Greinen beichtete er. Aus Angst vor den fliegenden Kröten habe er nicht gewagt, in ein Haus hineinzugehen, doch habe er sich an einen der roten Läden geschlichen und vorsichtig durch den Spalt geblickt, weil er gar zu gern gewußt hätte, wie die Menschen gemacht werden. ›Und was hast du gesehen?‹ fuhr ich ihn an. ›Oh‹, antwortete er, ›eine schöne Frau war schon fast fertig, es fehlte nur noch ein Zapfen, den der Menschenmacher ihr gerade einfügte. Es war eine sehr anstrengende Arbeit. Dann sprang sie auf, tanzte im Zimmer herum, sprach, lachte und küßte ihren Verfertiger.‹ So, mein Kleiner. Ich aber kehrte noch in der Nacht nach Burgund zurück und ließ dort den Allzuneugierigen lieber in der Obhut seiner Mutter, als es erleben zu müssen, daß er in der nächsten Stadt der ersten besten Dirne mit seinem Zapfen beisprang.«
    »Ja, die lieben Kinder haben oft drollige Antworten«, meinte der Pariser. »Der Schlingel meines Nachbarn zu Haus verriet mit einem solchen Wort die Hahnreischaft seines Vaters. Eines Abends wollte ich ihm ein wenig auf den Zahn fühlen, was er bereits in der Religion gelernt habe. ›Sage mir‹, fragte ich, ›was ist die Hoffnung?‹ ›Ein dicker Armbrustschütze des Königs‹, antwortete er, ›der immer zu Muttern kommt, wenn Vater ausgegangen ist.‹ In der Tat war der Schützenweibel in seiner Kompagnie also bespitznamt, und der Herr Nachbar, der die Rede mit angehört hatte, griff sich unwillkürlich nach der Stirne, wo er aber nichts fand, wie alle, die nichts finden wollen.«
    »Die Rede dieses Kindes«, sprach der Deutsche, »enthielt in Wahrheit einen tiefen Sinn; denn die Hoffnung ist es, die mit uns zu Bette geht und uns in ihre Arme nimmt, wenn die Wirklichkeit des Lebens uns nicht genugtut.«
    »Sind denn auch die Hahnreie nach dem Ebenbild Gottes erschaffen?«
    »Nein«, antwortete der Pariser; »denn Gott ist weise und hat sich nie mit einem Weibe abgegeben, so ist er glücklich in

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