Die dreizehnte Gabe: Der Dunkle Wald (Die 13. Gabe) (German Edition)
draußen gut.« Tatsächlich
tat ihr der Alkohol gut. Eine angenehme Wärme durchströmte
sie und lockerte ihre Zunge.
»Vorhin,
als ich am Buffet stand«, sie wartete kurz, ehe sie
weitersprach, »da
hab ich eine alte Frau gesehen. Eine Zigeunerin, glaube ich. Ziemlich
dick und unfreundlich. Ich weiß nicht wieso, es ist ja klar,
dass sie gar nicht da sein konnte … «
»Ach,
du meinst Helene! Dieses kleine Miststück. Ich habe sie
angewiesen, sich nicht außerhalb ihres Zelts blicken zu lassen.
Egal wo sie ist, sie mindert den Wert der Umgebung. Nicht nur mit
ihrer bloßen Anwesenheit, sie ist ein kleiner Langfinger!«
Nadias
Herz machte einen gefährlichen Sprung. Plötzlich wurde die
eben noch angenehme Wärme des Alkohols unbequem heiß.
»Hier
ist wirklich eine Zigeunerin?« Sie starrte ihre Schwester
schockiert an.
»Ich
wollte Zirkusflair in das Fest bringen und dazu gehört auch eine
Wahrsagerin. Sie macht es für kleines Geld. Hätte
ich natürlich vorher gewusst, dass sie die Hälfte der
Ausstattung stiehlt, hätte ich doch die andere Wahrsagerin
genommen. Sie roch zwar irgendwie faulig aber diese Seltsamkeiten hat
dieses Pack wohl so an sich!«, Jennifer schüttelte genervt
den Kopf.
»Also
ist sie eine echte Magierin?« Nadias Augen
fühlten sich an, als würden sie durch den starren Blick auf
ihre Schwester gefrieren.
»Ich
bitte dich Nadia! Magie, das gibt es nicht. Was ist denn nur los mit
dir? Du solltest besser nichts mehr trinken!«, sagte Jennifer
streng.
»Du
hast recht. Ich … ich
werde am besten nach Hause gehen.« In
ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken und Ängste. Die
Zigeunerin hatte von ihrem Tod gesprochen.
»Soll
ich dir ein Taxi rufen lassen? Es ist ja doch schon recht spät«,
fragte ihre Schwester besorgt.
»Nein
danke. Ich muss jetzt los« Sie ließ ihre Schwester ohne
weitere Erklärung stehen. Ihr nicht ganz ausgetrunkenes Sektglas
stellte sie auf einem der Tische vor dem Buffetzelt ab und eilte
weiter. Die Dämmerung war fast gänzlich der finsteren Nacht
gewichen. Auf Nadias Körper sträubten sich die Haare. Sie
musste noch fast den gesamten Marienbergpark durchqueren. Mit den
Ereignissen des vergangenen Tages erschienen Nadia die fahlen
Lichtstrahlen der Himmelslaternen nicht mehr romantisch. Ein
Geräusch, das sie nicht zuordnen konnte, ließ sie
stocksteif verharren. Sie erblickte den wehenden Vorhang eines der
kleineren Zelte. Über dem Eingang stand ein Schild, dessen
Aufschrift Nadia nicht lesen konnte. Sie wusste nicht, ob es am
Alkohol oder an der Dunkelheit lag. Sie lief schnell weiter, jedoch
nicht ohne den Zeltausgang weiterhin zu fokussieren. Sie meinte,
jemand hätte sie von dort aus beobachtet und danach schnell den
Vorhang des Eingangs wieder zugezogen. War das vielleicht das Zelt
der Zigeunerin? Nadia hatte es nun noch eiliger, den Ausgang des
Parks zu erreichen. Plötzlich vernahm sie rechts des Weges ein
Rascheln in den Büschen. Zu laut, um von einer Ente oder Ratte
zu stammen. Das Laternenlicht über ihr vermochte das Geäst
nicht zu erhellen, stattdessen schien es Nadia wie auf dem
Präsentierteller zu servieren. Sie musste sich anstrengen, um
weiterlaufen zu können. Ihre Muskeln wollten vor Angst den
Dienst verweigern, sie wurden hart wie Stein. Sie hatte Mühe,
ihren Schritt zu beschleunigen, sah aber bereits den Ausgang des
Parks. Hinter ihr raschelte es unentwegt im Gebüsch. Das Wissen,
dass das, was dort lauerte, ihr unentwegt folgte, fuhr wie Stahl
durch ihren Körper. Es beschleunigte sogar im selben Rhythmus
seine Schritte. Nadia packte allen Mut zusammen und rannte los. Ihre
stocksteifen Glieder schmerzten, doch sie war nicht mehr weit von dem
bewachten Ausgang entfernt. Sie rannte an einer dunklen Minigolf
Anlage vorbei, als sie zurückblickte. Ihr folgte ein großer
Schatten, vielleicht waren es sogar zwei. Hals über Kopf gab sie
noch einmal Gas. Ihr Herz pumpte wild Blut in ihren Schädel,
sodass es bereits schmerzte und schon war es vorbei. Sie war am
Ausgang des Parks angekommen, schwitzend und schwer atmend. Das
Wachpersonal blickte sie ungläubig an.
»Welche
Laus ist Ihnen denn über die Leber gelaufen?«, fragte der
Schwarze und musterte sie von oben bis unten. Nadia zeigte voller
Angst hinter sich und drückte eine Hand auf ihr heftig pumpendes
Herz.
»Angst
vor zwei streunenden Katern«, sagte der andere Wachmann
belustigt.
Sie
drehte sich um. Tatsächlich kamen zwei normale Katzen über
den Weg auf sie zu. Ihre
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