Die Drenai-Saga 2 - Der Schattenprinz
sich um die Verletzten kümmerten.
Galand winkte der blonden Frau zu, die zurücklächelte; dann wandte sie sich wieder ihrer Arbeit zu. Sie nähte einen leichten Schnitt am Oberschenkel eines Kriegers.
Er schlenderte hinaus in den Sonnenschein, wo einer seiner Männer ihm einen Laib Brot und einen Krug Wein brachte. Galand dankte ihm und ließ sich mit dem Rücken gegen einen Baum gelehnt nieder. Das Brot war frisch, der Wein jung. Von seinen Gruppenführern schloß sich ihm Oranda an, ein junger Bauer. Er trug einen dicken Verband am Oberarm.
»Sie sagen, es wäre eine saubere Wunde – nur sechs Stiche. Bald kann ich wieder einen Schild halten.«
»Gut«, sagte Galand geistesabwesend. »Möchtest du auch etwas Wein?«
Oranda nahm einen Schluck. »Er ist noch ziemlich jung«, meinte er.
»Vielleicht sollten wir ihn noch ein, zwei Monate reifen lassen.«
»Der Punkt geht an dich«, sagte Oranda und griff noch einmal nach dem Krug.
Eine Weile saßen sie schweigend beisammen, und in Galand wuchs die Anspannung, während er auf die unvermeidliche Bemerkung wartete.
»Es tut mir leid um deinen Bruder«, sagte Oranda schließlich.
»Alle Menschen sterben«, erwiderte Galand.
»Ja. Ich habe Freunde bei diesem Trupp verloren. Die Mauern sehen stark aus, nicht wahr? Ich habe als Kind hier oft gespielt und den wilden Pferden zugesehen.«
Galand erwiderte nichts. Oranda reichte ihm den Weinkrug und wünschte, er könnte einfach aufstehen und weggehen, doch er wollte nicht grob sein. Als Valtaya sich zu ihnen gesellte, begrüßte Oranda sie mit einem dankbaren Lächeln und stahl sich davon.
Galand blickte auf und lächelte.
»Du siehst zauberhaft aus, meine Dame. Wie eine Erscheinung.« Sie hatte die blutbespritzte Lederschürze ausgezogen und trug jetzt ein Kleid aus hellblauer Baumwolle, das sich reizvoll um ihre Figur schmiegte.
»Deine Augen müssen müde sein, Schwarzbart. Mein Haar ist strähnig, ich habe rote Ringe unter den Augen und fühle mich gräßlich.«
»Das hängt alles vom Auge des Betrachters ab«, sagte er.
Sie setzte sich neben ihn und legte ihm eine Hand auf den Arm.
»Es tut mir ehrlich leid wegen Parsal.«
»Alle Menschen sterben«, sagte er, der Wiederholung müde.
»Aber ich bin froh, daß du lebst.«
»Wirklich?« fragte er mit kühlem Blick. »Warum?«
»Was für eine seltsame Frage von einem Freund.«
»Ich bin nicht dein Freund, Val. Ich bin der Mann, der dich liebt. Das ist ein Unterschied.«
»Es tut mir leid, Galand. Ich kann nichts dazu sagen – du weißt, daß ich mit Ananais lebe.«
»Und – bist du glücklich?«
»Natürlich – soweit man mitten im Krieg überhaupt glücklich sein kann.«
»Warum liebst du ihn?«
»Die Frage kann ich dir nicht beantworten. Das kann keine Frau. Warum liebst du mich?«
Er setzte den Weinkrug an die Lippen, ohne auf die Frage einzugehen.
»Es tut weh, daß es für keinen von uns eine Zukunft gibt«, sagte er, »selbst wenn wir diesen Kampf überleben. Ananais wird sich niemals niederlassen, um ein normales Eheleben zu führen. Er ist kein Bauer, kein Kaufmann … Er wird dich in irgendeiner Stadt zurücklassen. Und ich werde wieder auf meinen Hof gehen. Und keiner von uns wird glücklich sein.«
»Trink nicht so viel, Galand. Das macht dich melancholisch.«
»Meine Tochter war ein so vergnügtes Kind … und ein richtiger Rabauke. Ich habe ihr oft den Hintern versohlt und viele Tränen fortgewischt. Hätte ich gewußt, wie kurz ihr Leben ist … und jetzt Parsal … ich hoffe, er starb schnell. Ich glaube, ich sehe das ziemlich egoistisch«, sagte er plötzlich. »Kein einziges lebendes Wesen trägt mein Blut, außer mir. Wenn ich sterbe, wird es sein, als wäre ich nie gewesen.«
»Deine Freunde werden trauern«, sagte sie.
Er entzog seinen Arm ihrer tröstenden Berührung und starrte sie zornig an.
»Ich habe keine Freunde! Ich hatte nie welche.«
21
Der Kaiser saß in seinem Zelt, umgeben von seinen Offizieren. Sein Kriegsherr Darik saß an seiner Seite. Das Zelt war sehr groß und hatte vier Abteilungen. Die größte, in der die Krieger jetzt versammelt waren, bot Platz für fünfzig Personen, auch wenn sich im Moment nur zwanzig eingefunden hatten.
Ceska war mit den Jahren fett geworden, und seine Haut war teigig und voller Pickel. Seine dunklen Augen glitzerten mit katzenhafter Intelligenz, und es hieß, daß er die Künste der Dunklen Templer erlernt habe und Gedanken lesen könne. Seine Offiziere lebten in einem
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