Die Drenai-Saga 2 - Der Schattenprinz
vermischt, und auf eine seltsame Art betrachtete er ihren Tod als Strafe dafür, daß er seine Pflicht nicht erfüllt hatte. Nur Ceskas Tod – und sein eigener – konnte diese Schande abwaschen. Aber jetzt war es anders.
Ananais würde auch allein die Stellung halten, wenn nötig, im Vertrauen auf Tenakas Versprechen, zurückzukehren. Und Freundschaft war etwas unendlich Stärkeres und Dauerhafteres als Liebe zum Land. Tenaka würde über die tiefsten Höllenschluchten reiten, die größten Härten unter der Sonne erdulden, um sein Versprechen gegenüber Ananais einzulösen.
Er warf einen Blick zurück auf die Skoda-Berge. Dort würde bald ernsthaft mit dem Sterben begonnen. Rayvans Truppe stand auf dem Amboß der Geschichte und blickte trotzig zu Ceskas Hammer empor.
Ananais war kurz vor Morgengrauen mit ihm aus der Stadt geritten, und sie hatten auf einer Hügelkuppe angehalten.
»Paß auf dich auf, du Dreckfresser von Nadir!«
»Und du, Drenai, paß auf deine Täler auf!«
»Ernsthaft, Tani, gib auf dich acht. Hol deine Armee und komm schnell zurück. Wir haben nicht viel Zeit. Ich vermute, man wird Truppen aus Delnoch gegen uns schicken, um uns für den Hauptangriff mürbe zu machen.«
Tenaka nickte. »Sie werden vorstoßen, zuschlagen und uns ermüden. Nutze die Dreißig. Sie werden schon bald von unschätzbarem Wert sein. Hast du dir schon Gedanken über ein zweites Quartier gemacht?«
»Ja. Wir schaffen Vorräte ins Hochland südlich der Stadt. Dort gibt es zwei schmale Pässe, die wir halten können. Aber wenn sie uns dorthin zurückdrängen, sind wir am Ende. Dann können wir nirgends mehr hin.«
Die beiden Männer schüttelten sich die Hände und umarmten sich herzlich.
»Ich möchte, daß du weißt …«, begann Tenaka, doch Ananais unterbrach ihn.
»Ich weiß, mein Junge! Du wirst dich beeilen. Verlaß dich darauf, daß die alte Schwarzmaske die Festung hält!«
Tenaka grinste und ritt hinaus auf die vagrische Ebene.
14
Sechs Tage lang gab es keinerlei feindliche Aktivitäten an der Ostgrenze Skodas. Flüchtlinge, die von Folter, Hunger und Schrecken erzählten, strömten in die Berge. Die Dreißig wiesen jene ab, die logen oder heimlich mit Ceska sympathisierten.
Doch Tag um Tag wuchs ihre Zahl. Die äußeren Landstriche wurden von immer mehr Menschen verlassen. In mehreren Tälern wurden Lager eingerichtet, und Ananais plagten Probleme mit der Lebensmittelversorgung und den sanitären Einrichtungen. Rayvan übernahm es, die Flüchtlinge in Arbeitsgruppen zu teilen, um Latrinengruben auszuheben und für die Alten und Schwachen primitive Unterkünfte zu bauen.
Stündlich trafen junge Männer ein, die sich freiwillig zur Armee meldeten, und es wurde Galand, Parsal und Lake überlassen, sie auszuwählen und Posten in der Skoda-Miliz für sie zu finden.
Doch immer fragten sie nach Schwarzmaske, dem dunkelgekleideten Riesen. ›Ceskas Fluch‹ nannten sie ihn, und unter den Neuankömmlingen befanden sich auch Sagendichter, deren Lieder des Nachts an den Lagerfeuern erklangen.
Ananais war das lästig, doch er verbarg seine Gefühle, denn er wußte, wie wertvoll die Legenden in den kommenden Tagen sein würden.
Jeden Morgen ritt er hinaus in die Berge, um die Täler und Hänge zu studieren, die Pässe zu suchen und die Entfernungen und möglichen Angriffswinkel abzuschätzen. Er setzte Männer ein, um Erdwälle und Gräben anzulegen und Felsen und Steine als Deckung zusammenzutragen. Pfeile und Lanzen wurden an verschiedenen Stellen versteckt, Säcke voller Lebensmittel hoch in die Bäume gehängt und unter dichtem Blattwerk verborgen. Jeder Gruppenführer wußte von mindestens drei solcher geheimen Lager.
Bei Einbruch der Dunkelheit rief Ananais die Gruppenführer an sein Feuer und befragte sie nach den Übungen des Tages, ermutigte sie, eigene Ideen, Strategien und Pläne vorzubringen. Sorgfältig merkte er sich jene, die danach handelten, und er behielt sie bei sich, während er andere entließ. Trotz all seiner Begeisterung war Lake ein scharfer Denker, der intelligent reagierte. Seine Kenntnis des Geländes war umfassend, und er leistete Ananais hervorragende Dienste. Auch Galand war ein fähiger Krieger. Die Männer respektierten ihn. Er war solide, verläßlich und treu. Sein Bruder Parsal war kein großer Denker, doch sein Mut stand außer Frage. Zu diesem inneren Kreis gesellte Ananais noch zwei Männer: Turs und Thorn. Es waren Einzelgänger, die nur wenig sagten. Beide waren
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