Die Drenai-Saga 2 - Der Schattenprinz
ehemalige Räuber, die ihren Lebensunterhalt bestritten, indem sie vagrisches Gebiet durchstreiften und Vieh und Pferde stahlen, um sie in den Tälern weiter östlich zu verkaufen.
Turs war jung und voller Feuer. Sein Bruder und zwei seiner Schwestern waren bei jenem Überfall getötet worden, der Rayvan zur Rebellin gemacht hatte. Thorn war älter, zäh wie Leder und hager wie ein Wolf. Die Skodamänner respektierten die beiden und lauschten schweigend, wenn sie sprachen.
Es war Thorn, der am siebten Tag nach Tenakas Abreise die Neuigkeiten des Herolds überbrachte.
Ananais erkundete die östlichen Hänge des Berges Carduil, als Thorn ihn fand. Er ritt mit Thorn so schnell er konnte nach Osten.
Die Pferde waren schweißbedeckt, als Ananais endlich das Tal der Dämmerung erreichte, wo Decado und sechs der Dreißig ihn erwarteten. Um sie versammelt waren etwa zweihundert Skodakrieger, die die Ebene beobachteten.
Ananais kletterte auf einen vorspringenden Felsen. Unter ihm befanden sich sechshundert Krieger, die das Rot von Delnoch trugen. Auf einem weißen Pferd in ihrer Mitte saß ein älterer Mann in hellblauen Kleidern. Sein Bart war lang und weiß. Ananais erkannte ihn und grinste säuerlich.
»Wer ist das?« fragte Thorn.
»Breight. Sie nennen ihn den Überlebenskünstler. Es überrascht mich nicht – er ist seit über vierzig Jahren Ratgeber.«
»Er muß Ceskas Mann sein«, meinte Thorn.
»Er ist niemandes Mann, aber eine gute Wahl, ihn zu schicken, denn er ist Diplomat und Patrizier. Er könnte dir erzählen, daß Wölfe Eier legen, und du würdest ihm glauben.«
»Sollten wir nicht Rayvan holen?«
»Nein. Ich werde mit ihm reden.«
In diesem Augenblick ritten sechs Männer an die Seite des alten Ratgebers. Ihre Mäntel und Rüstungen waren schwarz. Als Ananais ihrem Blick begegnete, gefror das Blut in seinen Adern zu Eis.
»Decado!« rief er, als die Angst ihn packte. Sofort hüllte die Wärme der Freundschaft ihn ein, als Decado und seine sechs Krieger die Macht ihres Geistes einsetzten, um ihn zu schützen.
Wütend brüllte Ananais Breight an, näherzukommen. Der alte Mann zögerte, doch einer der Templer beugte sich zu ihm hinüber, und er gab seinem Pferd die Sporen und ritt ungeschickt den steilen Hang hinauf.
»Das ist weit genug!« sagte Ananais und ging auf ihn zu.
»Bist du das, Goldener?« fragte Breight. Seine Stimme war tief und volltönend. Seine Augen waren braun und ausnehmend freundlich.
»Ich bin es. Sag, was du zu sagen hast.«
»Es besteht kein Grund, grob zu sein, Ananais. Habe ich nicht als erster gejubelt, als du für deine Triumphe in den Schlachten geehrt wurdest? Habe ich dir nicht deinen ersten Auftrag beim Drachen beschafft? War ich nicht der Trauzeuge deiner Mutter?«
»All das und noch mehr, alter Mann! Aber jetzt bist du der speichelleckende Lakai eines Tyrannen, und die Vergangenheit ist tot.«
»Du beurteilst meinen Herrn Ceska falsch – er hat nur das Beste für die Drenai im Sinn. Es sind schwere Zeiten, Ananais. Sehr schwere. Unsere Feinde führen einen lautlosen Krieg gegen uns und berauben uns der Nahrung. Kein einziges Königreich um uns herum will sehen, wie die Erleuchtung der Drenai blüht, denn sie kündet vom Ende ihrer Verderbnis.«
»Erspar mir diesen Unsinn, Breight! Ich habe keine Lust, mit dir zu streiten. Was willst du?«
»Ich sehe, daß deine schrecklichen Wunden dich bitter gemacht haben, und das tut mir leid. Ich bringe dir königliche Vergebung! Mein Herr ist tief verletzt durch deine Handlungen gegen ihn, doch in der Vergangenheit hast du dir einen Platz in seinem Herzen erworben. Zu deiner Ehre hat er jedem Mann vergeben, der sich in Skoda gegen ihn erhebt. Darüber hinaus verspricht er, persönlich jede Beschwerde zu prüfen, die du vorzubringen hast, sei sie nun echt oder eingebildet. Kann jemand gerechter sein?«
Breight hatte die Stimme erhoben, damit auch die lauschenden Verteidiger alles mithören konnten, und seine Augen suchten in ihren Reihen nach Reaktionen.
»Ceska würde nicht einmal wissen, was ›gerecht‹ bedeutet, wenn man es ihm in den Hintern brennt«, sagte Ananais. »Der Mann ist eine Schlange.«
»Ich verstehe deinen Haß, Ananais. Sieh dich doch an – vernarbt, entstellt, unmenschlich. Aber es ist doch gewiß noch etwas Menschliches in dir? Warum sollten durch deinen Haß Tausende unschuldiger Seelen einen schrecklichen Tod erleiden? Ihr könnt nicht gewinnen! Die Bastarde versammeln sich, und es gibt
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