Die Drenai-Saga 4 - Der Bronzefürst
lassen. In kalter Wut umkreiste Chareos den Gegner und schwenkte dann blitzschnell nach rechts. Logar stieß vor. Chareos parierte drei Hiebe; dann ließ er seine eigene Klinge hoch über Logars Schwert sausen. Die Spitze von Chareos’ Degen schlitzte die Haut über Logars rechtem Auge und die Stirn auf. Blut rann dem Kämpfer übers Gesicht, und er wich zurück.
Chareos wandte sich an den Grafen. »Ist der Kampf damit beendet, Herr?«
»Das war ein gemeiner Hieb«, sagte der Graf. »Du hättest ihn töten können.«
»Allerdings, denn er ist nicht sehr geschickt. Mit ein bißchen Glück wäre sein Stoß«, Chareos deutete auf den Schnitt an seiner Wange, »mir ins Gehirn gedrungen. Glücklicherweise ist nichts Schlimmes geschehen. Seine Wunde ist nicht ernst. Und jetzt, mit deiner Erlaubnis …« Ein Geräusch von hinten ließ ihn auf dem Absatz herumfahren. Logar hatte sich das Blut aus dem Gesicht gewischt und rannte mit ausgestreckter Klinge auf ihn zu. Chareos trat zur Seite und rammte Logar seinen Handschutz hinters rechte Ohr, so daß der Streiter bewußtlos auf den Marmorboden stürzte. »Wie ich schon sagte«, sagte Chareos kalt, »mit deiner Erlaubnis gehe ich jetzt.«
»Du bist hier nicht willkommen«, zischte der Graf. »Und auch nirgends sonst in meinen Ländern.«
Mit einer Verbeugung trat Chareos drei Schritte zurück und nahm seinen Säbel und das Messer wieder an sich. Dann verließ er mit hocherhobenem Kopf den Saal. Er spürte die feindseligen Blicke im Rücken.
Draußen im Hof waren die meisten Bittsteller geblieben, um sich die Auspeitschung anzusehen. Chareos stieg die Stufen hinab, die Augen fest auf die sich windende Gestalt des Dörflers gerichtet, als die Peitsche auf seine Haut knallte.
Er ging auf den Hauptmann der Wache zu und fragte: »Wie viele Hiebe hat er schon erhalten?«
»Achtzehn. Bei fünfzig hören wir auf.«
»Ihr hört bei zwanzig auf«, erklärte Chareos. »Das ist die Strafe für unbotmäßiges Verhalten.«
»Der Graf hat die Anzahl nicht genauer festgelegt«, fuhr der Offizier auf.
»Vielleicht dachte er, du würdest das Gesetz kennen«, meinte Chareos, als die Peitsche wieder zuschlug.
»Das reicht«, rief der Hauptmann. »Bindet ihn los.« Seine Männer zerrten den Dörfler durch das Nebentor hinauf und ließen ihn am Wegrand liegen.
Chareos half dem Mann auf die Füße. »Danke«, wisperte er.
»In diesem Zustand schaffst du es nicht nach Hause«, erklärte Chareos. »Am besten kommst du mit mir. Ich miete uns ein Zimmer in der
Grauen Eule,
und dann kümmern wir uns um deinen Rücken.«
Die Graue Eule war ein langgestrecktes Gebäude, das um ein altes Gasthaus herumgebaut worden war, welches an der Bergstraße nach Gulgothir lag. In seiner Mitte befand sich eine L-förmige Halle, in der die Gäste von Serviermädchen mit Speisen und Getränken bedient wurden. An der Ost- und Westseite war ein neuer Gebäudeteil errichtet worden; außerdem ein offener Stall an der Rückseite.
Als Chareos sich einen Weg durch den überfüllten Gastraum bahnte, schlug seine vorstehende Schwertscheide gegen das Bein eines Mannes.
»Paß doch auf, was du machst, du Hurensohn!« brüllte der Zecher. Chareos beachtete ihn nicht, doch als er weiterging, umfaßte er den Griff seines Säbels und hielt die Scheide dicht an seinem Bein. Es war sehr lange her, daß er einen Schwertgürtel getragen hatte; er wirkte schwerfällig und fehl am Platze.
Chareos ging durch einen Türbogen und stieg die Wendeltreppe zum Flur im ersten Stock empor. Am anderen Ende betrat er das Doppelzimmer, für das er am Nachmittag bezahlt hatte. Der Dörfler schlief noch immer. Sein Atem ging tief und langsam.
Lirium –
der Trank, den der Apotheker ihm verabreicht hatte – würde ihn bis zum Morgengrauen bewußtlos bleiben lassen. Chareos hatte die Peitschenstriemen gereinigt und mit Gänsefett eingerieben. Darm hatte er ein großes Stück Leinen auf den Rücken des Dörflers gedrückt. Die Peitschenwunden waren nicht tief, doch die Haut um sie herum hatte sich abgeschält und war verbrannt vom Leder der Peitsche.
Chareos legte Holz auf das Feuer im Kamin, der in die nach Süden liegende Wand eingelassen war. Es wurde Herbst, und ein kühler Wind drang durch die windschiefen Fensterrahmen. Er legte den Schwertgürtel ab und setzte sich in einen tiefen Ledersessel vor dem Feuer. Obwohl er nun müde war, wollte sein Geist sich nicht entspannen. Die Zuflucht des Klosters schien weit weg, und düstere
Weitere Kostenlose Bücher