Die Drenai-Saga 4 - Der Bronzefürst
Gedanken überfielen ihn wie ein körperlicher Schlag. Heute hatte der Graf versucht, ihn töten zu lassen – und weshalb? Wegen eines überheblichen Kindes. Chareos warf einen Blick auf den schlafenden Dörfler. Der Junge hatte mit angesehen, wie sein Dorf dem Erdboden gleichgemacht wurde, wie die Menschen, die er liebte, geraubt wurden, und jetzt war er zu allem Überfluß auch noch ausgepeitscht worden. Gerechtigkeit war etwas für die Reichen. So war es immer schon gewesen. Chareos beugte sich vor und warf ein Stück Holz ins Feuer. Eine der drei Lampen an der Wand flackerte auf und erstarb, und er überprüfte die beiden anderen. Sie waren schon weit heruntergebrannt. Chareos zog das Klingelseil an der Westwand.
Nach ein paar Minuten klopfte ein Zimmermädchen an die Tür.
Er bat um Öl für die Lampen und bestellte eine Mahlzeit und Wein. Das Mädchen blieb mehr als eine halbe Stunde weg, und auch die zweite Lampe verlosch.
Der Dörfler stöhnte im Schlaf und flüsterte einen Namen. Chareos ging zu ihm hinüber, doch der Junge schlief bereits wieder fest.
Dann endlich kehrte das Mädchen mit einer Kanne Öl zurück. »Es tut mir leid, daß es so lange gedauert hat, Herr, aber heute ist alles voll, und zwei der Mädchen sind nicht erschienen.« Sie füllte die Lampen und zündete sie mit einem langen Fidibus an. »Dein Essen kommt gleich. Es gibt kein Rindfleisch, aber das Lamm ist gut.«
Chareos nickte.
Sie blieb in der Tür stehen und sah sich noch einmal um. »Ist das der Dorfbewohner, der heute ausgepeitscht worden ist?« flüsterte sie.
»Ja.«
»Dann bist du der Mönch?«
Er nickte, und das Mädchen trat zurück ins Zimmer. Sie war klein und pummelig, mit weizenblondem Haar und einem runden, hübschen Gesicht. »Vielleicht steht es mir nicht zu, davon zu reden, Herr, aber es suchen Männer nach dir – Männer mit Schwertern. Einer von ihnen hat einen Verband an der Stirn.«
»Wissen sie, daß ich hier bin?«
»Ja, Herr. Drei Männer sind im Stall, und zwei andere sitzen jetzt im Hauptraum. Ich glaube, es sind noch mehr.«
»Ich danke dir herzlich«, sagte Chareos und drückte dem Mädchen ein halbes Silberstück in die Hand.
Nachdem sie gegangen war, verriegelte er die Tür, ging zum Kamin und döste, bis wieder jemand an die Tür klopfte. Er zog den Säbel aus der Scheide. »Wer ist da?« rief er.
»Ich bin es, Herr. Ich bringe das Essen und den Wein.«
Chareos schob den Riegel zurück und öffnete die Tür. Das Mädchen kam herein und stellte das hölzerne Tablett auf den kleinen Tisch neben dem Stuhl. »Die Männer sind immer noch da, Herr. Und der Mann mit dem Verband spricht gerade mit Finbale, dem Wirt.«
»Danke.«
»Du könntest durch die Dienstbotenräume gehen«, bot sie an. »Meine Pferde stehen im Stall. Mach dir um mich keine Sorgen.« Sie lächelte. »Es war gut, was du für ihn getan hast«, sagte sie mit einem Blick auf den Dörfler; dann ging sie und zog die Tür fest hinter sich zu. Chareos schob den Riegel wieder vor und setzte sich zu seiner Mahlzeit nieder. Das Fleisch war hart, das Gemüse weich und zerkocht, und der Wein kaum genießbar, aber trotzdem füllte das Mahl seinen Magen, und er lehnte sich zum Schlafen im Sessel zurück. Er träumte schlecht, doch als er erwachte, waren seine Träume zerstoben wie Rauch im Wind. Der Himmel hatte jetzt, kurz vor Morgengrauen, einen dunkelgrauen Schimmer angenommen. Das Feuer war fast erloschen, das Zimmer kalt. Chareos legte frischen Zunder auf die glühende Asche, blies die Flammen an und legte größere Scheite nach. Er war steif und durchgefroren, und sein Nacken schmerzte. Als das Feuer wieder flackerte, ging er zu dem Dörfler. Der Atem des Jünglings ging jetzt flacher. Chareos berührte ihn am Arm. Der junge Mann stöhnte und schlug die Augen auf.
Er versuchte, sich aufzusetzen, doch der Schmerz traf ihn mit Wucht, und er sank wieder zurück.
»Deine Wunden sind sauber«, sagte Chareos. »Auch wenn du Schmerzen hast, solltest du aufstehen und dich anziehen. Ich habe ein Pferd für dich gekauft. Wir verlassen die Stadt noch heute morgen.«
»Danke … für deine Hilfe. Ich heiße Kiall.« Der Junge setzte sich auf. Sein Gesicht war verzerrt von den Schmerzen in seinem Rücken.
»Die Wunden werden gut heilen«, erklärte Chareos. »Sie sind sauber und nicht tief. Der Schmerz kommt von den Verbrennungen der Peitsche. Aber das ist in drei oder vier Tagen vorbei.«
»Ich weiß nicht, wer du bist«, sagte
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