Die Drenai-Saga 4 - Der Bronzefürst
durch einen letzten Abschnitt dichten Unterholzes und tauchte am schlammigen Ufer eines großen Flusses auf, der breiter als die Seen seiner Heimat war. Sein Atem ging stoßweise; in seinen Ohren dröhnte sein Herzschlag.
Wo soll ich hin?
Er hatte völlig die Orientierung verloren, und dichte, tiefhängende Wolken verbargen die Sonne. Er hörte Rufe von links, schwenkte nach rechts ab und rannte am Flußufer entlang.
Ein riesiger Drache erhob sich aus dem Wasser. Sein langes Maul starrte vor Zähnen. Kiall schrie auf und sprang vom Ufer weg. Ein Speer schoß neben seinem Kopf durch die Luft, und er drehte sich gerade noch rechtzeitig um und sah, wie ein bronzener Krieger sich auf ihn warf. Der Krieger prallte gegen Kiall, so daß beide Männer zurück zum Ufer rollten. Da ihm der Säbel entglitten war, schnellte Kiall hoch und rammte dem Mann seine Faust ins Gesicht, so daß er zur Seite kippte. Der Krieger kam auf die Beine, doch Kiall sprang ihm mit den Füßen voran an. Seine Stiefel trafen die Brust des Mannes und schleuderten ihn zurück ins dunkle Wasser. Als der Krieger wieder an die Oberfläche kam und zum Ufer waten wollte, tauchte hinter ihm der Kopf des Drachen auf. Die ungeheuren Kiefer schlössen sich um das Bein des Mannes. Er stieß einen panischen Schrei aus und begann, mit einem goldenen Messer auf die Schuppenhaut des Ungeheuers einzustechen. Blut wogte aus dem Wasser, und Kiall beobachtete entsetzt, wie der Krieger fortgezerrt wurde.
Dann riß er sich von der Unglücksstelle los und nahm seinen Säbel wieder auf. Zwischen den Bäumen suchte er nach Spuren seiner Feinde. Eine plötzliche Bewegung hinter ihm ließ ihn mit erhobenem Schwert herumfahren. Es war die junge Frau, und sie winkte ihn zu sich in ihr Versteck im Gebüsch. Er lief zu ihr, ließ sich auf die Knie fallen und kroch in die Büsche mit den spitzen Blättern. Sorgfältig schob die Frau die Blätter wieder vor die Öffnung.
Binnen weniger Sekunden erreichten weitere Feinde den Schauplatz. Sie standen am Ufer und beobachteten den Kampf zwischen dem sterbenden Krieger und dem Drachen. Als es vorbei war, hockten die Jäger sich im Kreis nieder und sprachen leise miteinander. Einer deutete auf den Pfad, und es kam Kiall so vor, als würden sie darüber streiten, welche Richtung sie einschlagen sollten. Eine große Spinne, haarlos und aufgebläht, krabbelte auf Kialls Hand. Er unterdrückte einen Schrei. Das Mädchen beugte sich rasch vor, pflückte ihm das Insekt von der Haut und setzte es behutsam auf ein Blatt.
Die Jäger erhoben sich und gingen davon, verschwanden im Dschungel.
Kiall lehnte sich zurück und lächelte die junge Frau an. Sie lächelte nicht zurück, sondern legte ihm die Hand auf die Brust, dann auf die Stirn und drückte schließlich ihre Finger auf Kialls Mund. Da Kiall nicht wußte, wie er darauf reagieren sollte, nahm er ihre Hand und küßte sie. Sie legte sich neben ihm nieder, schloß die Augen und schlief ein.
Eine Zeitlang lag er wach, zu verängstigt, um die Sicherheit seines Unterschlupfes zu verlassen. Dann glitt auch er in einen leichten Dämmerschlaf – und erwachte, als der Mond hoch über den Bäumen stand. Die Frau setzte sich und kroch ins Freie. Kiall folgte ihr. Sie flüsterte ihm etwas zu, doch es war eine Sprache, die er noch nie gehört hatte. »Okas?« fragte er. Ihr Kopf fuhr herum. »Ich suche Okas.« Sie zuckte die Achseln und trabte am Flußufer entlang. Kiall folgte ihr durch den mondbeschienenen Dschungel, auf Hügel und über Erhebungen, hinab durch rankenüberwucherte Hohlwege zu einer großen Höhle, vor der sie stehenblieb und die Hand ausstreckte. Kiall nahm sie und wurde hineingeführt. Fackeln flackerten, und er sah mehr als dreißig Angehörige des Tätowierten Volkes, die um Feuer saßen, die sie in Steinkreisen angezündet hatten. Zwei junge Männer näherten sich ihnen. Nachdem die Frau kurz mit ihnen gesprochen hatte, wurde Kiall tiefer in die Höhle geführt.
Ein alter Mann, fast zahnlos, saß mit überkreuzten Beinen auf einem hohen Felsen. Sein Körper war vollständig mit Tätowierungen bedeckt, und die untere Hälfte seines Gesichts war blau gefärbt, so daß es aussah, als hätte er einen Bart mit hochgezwirbeltem Schnurrbart.
Die Frau sprach zu dem alten Mann, dessen Gesicht völlig ausdruckslos blieb. Schließlich drehte sie sich zu Kiall um und fiel auf die Knie. Sie nahm seine Hand und küßte sie zweimal; dann stand sie auf und ging davon.
»Ich bin
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