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Die Drenai-Saga 4 - Der Bronzefürst

Die Drenai-Saga 4 - Der Bronzefürst

Titel: Die Drenai-Saga 4 - Der Bronzefürst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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Wesen in den Bäumen begleiteten sie und ließen sich hin und wieder zu den tieferen Ästen hinab, wo sie an ihren Schwänzen hingen und die Eindringlinge ankreischten. Vögel mit prachtvollem roten, grünen und blauen Gefieder saßen auf Zweigen und pflegten ihre Federn mit gekrümmten Schnäbeln.
    Nach der ersten Stunde ließ Chareos Halt machen. Die Hitze war unvorstellbar, und ihre Kleider waren von Schweiß durchtränkt. »Wir bewegen uns ungefähr in südöstlicher Richtung«, sagte Chareos zu Kiall. »Merk dir das.«
    Im Unterholz zu ihrer Rechten war eine Bewegung. Die speerartigen Blätter teilten sich … und ein monströser Kopf erschien. Das Gesicht war halbmenschlich und pechschwarz, die Augen klein und rund. Das Wesen hatte lange, scharfe Zähne, und als es sich zu seiner vollen Höhe von etwa einem Meter achtzig aufrichtete, sah man seine massigen Arme und Schultern. Beltzer zog seine Axt und stieß einen donnernden Kriegsruf aus. Das Wesen blinzelte und starrte ihn an.
    »Geht weiter. Langsam«, ordnete Chareos an. Behutsam folgte die Gruppe dem Pfad. Chareos ging vorneweg. Finn, der einen Pfeil auf seinen gekrümmten Jagdbogen gelegt hatte, bildete die Nachhut.
    »Wie abstoßend«, flüsterte Kiall mit einem Blick auf das schweigende Wesen hinter ihnen.
    »So spricht man nicht über Beltzers Mutter«, sagte Maggrig. »Hast du nicht gemerkt, daß sie einander erkannt haben?« Finn ; und Chareos kicherten. Beltzer schimpfte.
    Der Pfad wurde breiter und führte zu einer flachen, schalenförmigen Senke hinab, die von Bäumen befreit worden war. Dort standen runde Hütten, vor denen Kochfeuer brannten. Doch niemand würde sie mehr nutzen. Überall waren Tote – manche lagen auf dem Boden, einige waren gepfählt, andere am Rand des Dorfes an Bäume genagelt. Große, aufgeblähte Vögel saßen auf vielen der Leichen oder hockten in häßlichen Reihen auf den Dächern.
    »Ich glaube, wir haben das Tätowierte Volk gefunden«, sagte Finn. Kiall saß auf dem Hang oberhalb des verwüsteten Dorfes und beobachtete seine Gefährten, die durch die Ruinen streiften. Finn und Maggrig gingen um die Hütten herum und suchten nach Spuren, während Beltzer und Chareos von Hütte zu Hütte gingen und nach Überlebenden suchten. Doch es gab keine. Kiall spürte, wie Verzweiflung in ihm aufstieg. Dies war das dritte Mal in seinem jungen Leben, daß er die Spuren eines Überfalls sah. Beim erstenmal war Ravenna geraubt worden; andere, ältere Frauen hatte man vergewaltigt oder mißhandelt, und Männer waren erschlagen worden. Beim zweitenmal hatte Kiall einen wilden, wütenden Kampf mit Schwertern und Messern miterlebt – und sich daran beteiligt, mit erhitztem Blut, angefeuert von dem Wunsch zu töten. Hier war nun das drittemal, und es war das schlimmste Gemetzel von allen. Von seinem Standort konnte er die Leichen von Frauen und Kindern sehen, und selbst sein ungeübtes Auge erkannte die sinnlose Gewalttätigkeit, die hier stattgefunden hatte. Das war kein Sklavenraub gewesen. Das Tätowierte Volk war ausgelöscht worden.
    Nach einer Weile schulterte Maggrig seinen Bogen und kam zu Kiall herauf.
    »Da unten ist es entsetzlich«, sagte der Jäger. »So wie es aussieht, wurde bei dem Überfall nichts mitgenommen. Etwa zweihundert Krieger haben heute das Dorf umzingelt, sind einmarschiert und haben praktisch jeden Einwohner getötet. Es gibt ein paar Spuren, die nach Norden führen, und es sieht aus, als hätten sich ein paar Angehörige des Tätowierten Volkes freikämpfen und fliehen können. Vielleicht ein Dutzend. Aber sie wurden verfolgt.«
    »Warum sollte jemand so etwas tun, Maggrig? Was wird damit gewonnen?«
    Der Jäger breitete die Hände aus. »Ich kann dir keine Antwort darauf geben. Ich habe einmal an einem Überfall auf ein Nadirlager teilgenommen. Wir hatten einige unserer Männer gefunden, die über Lagerfeuern gefoltert und denen die Augen ausgebrannt worden waren. Wir folgten den Tätern in ihr Dorf und nahmen sie gefangen. Unser Offizier, ein kultivierter Mann, befahl, daß alle Kinder von den Gefangenen Aufstellung nehmen sollten. Dann erschlug er sie vor den Augen ihrer Eltern. Anschließend wurden die Nadir gehängt. Er erzählte uns, daß die Nadir den Tod nicht fürchten, daß es also keine echte Strafe sei, sie umzubringen. Aber ihre Kinder vor ihren Augen niederzumetzeln – das sei Gerechtigkeit.« Maggrig schwieg.
    Kiall blickte aufs Dorf hinab. »Dort gibt es nirgends Gerechtigkeit«, sagte er.

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