Die Drenai-Saga 4 - Der Bronzefürst
hast Finn nicht einmal dafür gedankt, daß er deine Axt zurückgekauft hat – und er hat sie teuer bezahlt.«
»Das geht nur Finn und mich etwas an. Du zählst nicht, Junge. Und jetzt halte deine Zunge im Zaum – ehe ich sie dir herausschneide!«
Kiall blinzelte und wurde schlagartig nüchtern. »Und du bist ein Lügner«, sagte er. »Du hat mir erzählt, Tura wäre tot. Ertrunken im Hafen. Alles Lüge. Und ich habe keine Angst vor dir, du dickbäuchiger Eber. Drohe mir nicht!«
Beltzer sprang auf. Kiall erhob sich und tastete nach seinem Säbel; aber da packte Beltzer ihn bereits an der Jacke, hob ihn in die Luft und holte mit der Faust aus. Da trat Kiall ihm in die Lenden, und der Riese brüllte vor Schmerz auf, ließ den jüngeren Mann fallen und taumelte zurück. Jetzt zog Kiall seinen Säbel. Beltzer grinste ihn an – und trat vor.
»Was willst du damit, Junge? Willst du den alten Beltzer aufspießen? Wirklich?« Kiall wich zurück. Er war sich klar darüber, daß die Situation außer Kontrolle geraten war. Beltzer stürzte sich auf ihn und fegte den Säbel beiseite. Kiall traf mit einer geraden Linken in Beltzers Gesicht. Der Riese beachtete den Hieb gar nicht und schlug Kiall mit der offenen Hand ans Kinn, so daß der Jüngere zu Boden ging. Halb betäubt kam Kiall auf die Knie und rammte Beltzer den Kopf in den Bauch. Beltzers Knie fuhr mit schrecklicher Wucht in die Höhe und riß Kialls Kopf nach hinten … Als er wieder zu sich kam, hockte er vor dem Feuer in einem Stuhl. Ihm gegenüber saß Beltzer.
»Einen Schluck Wein?« fragte Beltzer. Kiall schüttelte den Kopf. Ein Hammer schlug in seinem Kopf. »Du bist ein guter Kämpfer, Junge, und eines Tages wirst du vielleicht ein Wolf. Aber Wölfe sind zu schlau, um es mit einem Bären aufzunehmen.«
»Ich werde daran denken«, versprach Kaill. »Und jetzt möchte ich doch einen kräftigen Schluck Wein.«
Beltzer reichte ihm einen Becher. »Ich liebe den alten Finn. Er weiß, wieviel es mir bedeutet hat, die Axt zurückzubekommen. Er brauchte dafür keine Worte. Damals in Bel-Azar zerrten die Nadir Finn von der Brüstung. Chareos, Maggrig und ich sprangen hinunter, um ihn zu befreien. Ich war es, der Finn auf dem Rücken trug und uns den Weg zum Torturm freikämpfte. Damals dankte Finn mir auch nicht – er brauchte es gar nicht. Verstehst du?«
»Ich glaube schon.«
»Es liegt am Wein. Trinke ich viel, rede ich zuviel. Du magst mich nicht, oder?«
Kiall betrachtete das flache, häßliche Gesicht unter der schimmernden Glatze und starrte in die kleinen, runden Augen. »Nein, nicht sehr«, gab er zu.
Beltzer nickte ernst. »Na, mach dir deshalb keine Gedanken. Ich mag mich selbst auch nicht besonders. Aber ich war auf dem Berg, Junge. Niemand kann mir das wegnehmen.«
»Ich war auch auf dem Berg«, sagte Kiall.
»Nicht auf
meinem
Berg. Aber eines Tages schaffst du es vielleicht.«
»Was ist so Besonderes daran?«
»Nichts«, antwortete Beltzer.
»Warum sollte ich dann dorthin wollen?«
Beltzer blickte von seinem Weinbecher auf. »Weil dort deine Dame ist, Kiall.«
Die grauen Steinmauern waren in Mondlicht getaucht, und eine jagende Eule flog tief über die verlassenen Wehrgänge. Chareos konnte die Schreie der Verwundeten und Sterbenden hören, doch auf den Steinen lagen keine Toten, und kein Blut sammelte sich bei den Stufen des Torturms. Als er sich auf den Rand des mit Zinnen besetzten Wehrganges setzte und über das Tal von Bel-Azar hinwegschaute, versanken die Schreie in den Tiefen seiner Erinnerungen. Das Land war jetzt bar allen Lebens. Wo die Lagerfeuer der Nadir das Tal wie zu Boden gefallene Sterne erleuchtet hatten, gab es jetzt nur noch schimmerndes Gras, vereinzelte Felsen und einen längst abgestorbenen, vom Blitz getroffenen Baum.
Chareos war allein. Er konnte sich nicht daran erinnern, nach Bel-Azar gereist zu sein, aber das schien keine Rolle zu spielen. Auf eine seltsame Art spürte er, daß er zu Hause war – sicher und inmitten der Geister der Vergangenheit.
Sicher? Dunkle Gestalten bewegten sich am Rand seines Blickfeldes, verschwanden in den Schatten, wenn er herumfuhr, um sich ihnen zu stellen. Er wich zu der verrotteten Tür des Torturms zurück und stieg die Wendeltreppe zu dem kreisförmigen Wehrgang empor. Dort zog er sein Schwert und wartete. Er hörte das Kratzen von Krallen auf der Treppe, roch die üblen Ausdünstungen der Bewohner der Dunkelheit: Schleim auf Fell, der süße, ekelerregende Gestank aus
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