Die Drenai-Saga 4 - Der Bronzefürst
Name auf den Mann über ihm ausübte.
Jungirs Gesicht zeigte keinerlei Ausdruck, doch seine dunklen Augen verengten sich. »Er lebt noch? Wie ist das möglich? Er war ein alter Mann, als mein Vater Khan wurde. Er verließ die Stadt vor mehr als zwanzig Jahren, um zu sterben.«
»Aber er starb nicht, Herr. Er lebt noch immer in den Mondbergen. Dort gibt es viele Höhlen, und Tunnel, die bis zur Mitte der Welt reichen.«
Jungir stand auf. Er war groß für einen Nadir, wie es auch sein Vater Tenaka gewesen war. Er hatte jettschwarzes Haar, das er straff zurückgebunden trug, und einen kurzen, sorgfältig gestutzen, dreifach gegabelten Bart. Seine dunklen Augen standen schräg und verrieten nichts über seine Abstammung als Halbblut. »Steh auf«, befahl er dem kleinen Schamanen, und Shotza erhob sich. Er war nur knapp über einen Meter fünfzig groß, drahtig und kahl. Obwohl er noch keine sechzig Lenze zählte, war sein Gesicht von tiefen Falten durchzogen, und seine Haut war schlaff.
Jungir blickte in die seltsam blassen Augen des Schamanen und lächelte. »Fürchtest du mich?« fragte er.
»Wie ich die Winde des Todes fürchte, Herr.«
»Liebst du mich?«
»Lieben? Du bist mein Khan. Die Zukunft der Nadir liegt in dir«, antwortete Shotza. »Was brauchst du noch meine Liebe?«
»Du hast recht. Ich brauche sie nicht. Aber du hast klug geantwortet. Und jetzt erzähle mir von Asta.«
Der Khan kehrte zu seinem Thron zurück und setzte sich, legte? den Kopf in den Nacken und blickte zu dem seidenen Dach hinauf, das dem Thronsaal das Aussehen eines riesigen Zelts verlieh. Die Seidenstoffe waren ein Geschenk aus dem Östlichen Königreich Kiatze, Mitgift für die Braut, die man ihm von dort geschickt hatte.
»Nachdem Asta die Wölfe verließ, verschwand er aus dem Wissen der Menschen«, begann Shotza. »Wir alle dachten, er sei gestorben. Aber beim letzten Vollmond, als ich versuchte, dem Silberpfad deines Schicksals zu folgen, stellte ich fest, daß sich ein dichter Nebel über das Zeichen deines Hauses gelegt hatte. Ich habe versucht, ihn zu durchdringen, und zuerst gelang es mir auch. Dann aber verhärtete er sich zu einer Mauer. Ich flog in die Höhe, doch ich fand ihr Ende nicht. Mit Hilfe aller verborgenen Kräfte, die meine Meister mich lehrten, durchbrach ich endlich die Mauen. Aber nur für sehr kurze Zeit. Doch ich sah das Gesicht von Asta. Khan. Und ich spürte die Gefahren, die dir im nächsten Jahr drohen.«
Shotza leckte sich die Lippen und wählte auch seine nächsten Worte sorgfältig. »Ich sah eine schimmernde Rüstung aus Bronze, die unter einem Stern schwebte, und einen Schwertkämpfer von großer Kunstfertigkeit. Aber dann bemerkte Asta mich – ich wurde zurückgeworfen, und die Mauer schloß sich wieder.«
»Und das ist alles, was du gesehen hast?« fragte Jungir leise.
»Alles, was ich klar sehen konnte«, antwortete Shotza, der sich hütete, seinen König zu belügen.
Der Khan nickte. »Finde Asta Khan – und töte ihn. Nimm hundert Mann von meiner Leibgarde. Durchkämme die Berge. Bring mir seinen Kopf.«
»Mit allem Respekt, Großer Khan, du könntest tausend Männer ausschicken und würdest ihn nicht finden. Asta war der größte aller Schamanen. Menschen können ihn nicht fangen.«
»Seine Magie ist stärker als deine?«
Shotza schloß die Augen. »Ja, Herr. Es gibt keinen Menschen auf der Welt, der es mit ihm aufnehmen könnte.«
»Es ist nicht meine Art, zweitrangige Leute in meinen Diensten zu haben, Shotza.«
»Nein, Herr. Aber es gibt eine Möglichkeit, ihn zu besiegen. Ich habe sechs gute Schüler. Zusammen – und mit bestimmten notwendigen Opfern – könnten wir Asta bezwingen.«
»Notwendige Opfer?«
»Blutsverwandte von Asta Khan, geopfert in der Mittwinternacht.«
»Wie viele solcher Opfer?«
»Mindestens zwanzig. Vielleicht dreißig. Jeder einzelne wird den alten Mann schwächen.«
»Weißt du denn, wo Astas Familie sich aufhält?«
»Ja, Herr.«
»Dann überlasse ich dir die Vorbereitungen, Shotza. Und nun zu dieser Gefahr von der Bronzerüstung. Kündigt sie einen weiteren Aufstand der Drenai an?«
»Ich glaube nicht, Herr. Ich sah das Abbild der Rüstung, aber der Stern stand im Norden. Aus dem Land der Gothir kann keine Bedrohung durch die Drenai kommen. Aber sobald ich Astas Mauer durchbrochen habe, werde ich mehr wissen. Ich werde alles wissen.«
Shotza machte eine tiefe Verbeugung. Jungir entließ ihn mit einer Handbewegung, und der Schamane ging
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