Die Drenai-Saga 4 - Der Bronzefürst
waren.
Chareos führte die kleine Gruppe in die Siedlung hinunter und durch die noch unfertige Palisade zum Hauptplatz. Die Dorfbewohner hielten in ihrer Arbeit inne, um die Reiter zu beobachten, und ein großer, dicker Mann in einer Tunika aus grüner Wolle, über der ein breiter Gürtel den hervorstehenden Bauch zu halten versuchte, baute sich vor ihnen auf, die muskulösen Arme vor der Brust verschränkt.
»Was wollt ihr hier?« fragte er. Seine Stimme war tief, sein Tonfall überheblich.
Chareos stieg aus dem Sattel und ging auf ihn zu. »Wir suchen Schutz für die Nacht.«
»Fremde sind hier nicht willkommen.«
Kiall hielt es nicht mehr aus. Er schwang sein Bein über den Sattelknauf und sprang zu Boden. »Ich bin kein Fremder!« rief er wütend. »Aber wer, in Bars Namen, bist du? Ich kenne dich nicht.«
»Ich dich auch nicht«, erwiderte der Mann. »Sagt, was ihr wollt – oder tragt die Konsequenzen.«
»Konsequenzen?« schnaubte Beltzer. »Wovon redet er?«
»Von den Bogenschützen, die sich überall in den Gassen verstecken«, erklärte Finn.
»Oh«, machte Beltzer.
Chareos blickte sich um und sah die Krieger. Sie schienen nervös und verängstigt zu sein; ihre Finger zitterten auf den gespannten Sehnen. Jeden Augenblick konnte ein versehentlicher Schuß den Platz in ein Schlachtfeld verwandeln, wie Chareos wußte. »Wir sind keine Nadren«, sagte er mit ruhiger Stimme. »Ich kam in der Nacht des Überfalls her und versuchte, den Leuten zu helfen. Der junge Mann hier ist Kiall. Er stammt aus diesem Dorf.«
»Tja, ich kenne ihn nicht, und ich glaube, mir liegt auch nichts daran«, gab der Mann mürrisch zurück.
»Ich heiße Chareos. Es wäre nett, wenn du mir wenigstens deinen Namen sagst.«
»Ich brauche zu Leuten wie euch nicht höflich zu sein«, sagte der Mann. »Verschwindet!«
Chareos breitete die Hände aus und trat näher auf ihn zu. Blitzschnell packte er die Tunika des Mannes mit der Linken und zerrte ihn nach vorn. Seine rechte Hand zuckte hoch, und die Klinge seines Jagdmessers ruhte an der Kehle des Mannes.
»Ich hasse schlechte Manieren«, sagte Chareos ruhig. »Und jetzt befiehl deinen Männern, die Waffen sinken zu lassen, oder ich schneide dir die Kehle durch.«
Der Mann schluckte schwer, so daß seine schlaffe Haut gegen die Messerspitze drückte. Ein paar Blutstropfen fielen auf seine Tunika.
»Legt … legt eure Waffen nieder«, flüsterte er.
»Lauter, du Idiot!« zischte Chareos, und der Mann tat, wie ihm geheißen.
Zögernd gehorchten die Bogenschützen, doch sie scharten sich dicht um die Gruppe. Chareos, der den Dicken immer noch festhielt, wandte sich an die Menge. »Wo ist Paccus der Seher?« rief er. Niemand antwortete ihm.
Kiall trat vor. »Erinnert sich denn keiner an mich?« fragte er. »Was ist mir dir, Ricka? Oder dir, Anas? Ich bin es – Kiall.«
»Kiall?« fragte ein großer, dünner Mann mit pockennarbigen Gesicht. Er kam näher, um den jungen Krieger genauer zu betrachten. »Du
bist
es«, sagte er überrascht. »Aber du siehst so anders aus. Warum bist du zurückgekommen?«
»Um Ravenna zu suchen, natürlich.«
»Warum?« fragte Anas. »Inzwischen ist sie die Frau eines Nadir – oder schlimmeres.«
Kiall wurde rot. »Ich werde sie trotzdem suchen. Was geht hier vor? Wer ist dieser Mann? Und wo ist Paccus?«
Anas zuckte die Achseln. »Nach dem Überfall sind viele Familien nach Norden gezogen, um sich näher an Talgithir niederzulassen. Neue Familien sind hergezogen. Das ist Norral. Er ist ein guter Mann und unser Anführer. Die Palisade war seine Idee, wie auch die Bogenschützen. Wir wollen uns in Zukunft selbst verteidigen, Kiall. Wir werden für die Nadren nicht noch einmal ein so leichtes Ziel sein, falls sie wieder in Gothir einfallen.«
»Was ist mit Paccus?«
»Er starb vor drei Tagen.«
Im Hintergrund steckte Chareos sein Messer in die Scheide und stieß Norral von sich. Beltzer und die anderen stiegen von den Pferden.
Kiall schaute die Dorfbewohner an. »Wir sind keine Räuber«, sagte er. »Ich stamme aus diesem Dorf. Morgen werden wir aufbrechen, um die Frauen zu suchen, die bei dem Überfall geraubt wurden. Wir werden sie zurückholen. Ihr kennt diese Krieger hier vielleicht nicht von Angesicht, aber ihr habt von ihnen gehört. Dies hier ist Chareos der Schwertmeister, und dies ist Beltzer mit der Axt. Der Mann mit dem dunklen Bart ist der berühmte Bogenschütze Finn, und neben ihm steht sein Freund Maggrig. Dies sind die
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