Die Drenai-Saga 4 - Der Bronzefürst
Helden von Bel-Azar, meine Freunde. Der andere Mann ist ein Mystiker aus dem Land des Tätowierten Volkes. Er wird dem Geistpfad folgen, der uns zur Rettung unserer Leute führt.«
Anas starrte Beltzer ungläubig an.
»Er
ist der berühmte Axtschwinger?«
»Ja, das bin ich, du Ziegenhirn!« donnerte Beltzer, zog die Axt und hielt Anas die schimmernde Klinge unters Kinn. »Möchtest du noch mehr Beweise sehen?«
»Nein, nein«, sagte Anas und machte einen Schritt zurück.
Norral trat neben Chareos. »Ich bitte tausendmal um Entschuldigung«, flüsterte er. »Das konnte ich nicht wissen. Bitte, fühlt euch in meinem Heim wie zu Hause. Es wäre mir eine Ehre, wenn ihr die Nacht in meinem Haus verbringen würdet.«
Chareos nickte. »Das ist sehr freundlich von dir«, sagte er schließlich und zwang sich zu einem Lächeln. »Ich muß mich ebenfalls entschuldigen. Du hast ganz recht daran getan, beim Erscheinen von sechs bewaffneten Männern besorgt zu sein, und deine Vorkehrungen waren lobenswert.«
Norral verbeugte sich.
Das Essen, das er ihnen vorsetzte, war ausgezeichnet zubereitet von seinen beiden hübschen, molligen Töchtern, Bea und Kara.
Doch der Abend wurde von Norral beherrscht, der ihnen in allen Einzelheiten die Geschichte seines weitgehend uninteressant Lebens erzählte, die er immer wieder mit Anekdoten über berühmte Staatsmänner, Dichter oder Adlige der Gothir unter brach. Jede Geschichte endete auf die gleiche Weise: wie de berühmte Mann ihn, Norral, zu seinem Scharfsinn, seiner Klugheit, seinem Weitblick und seiner Intelligenz beglückwünschte.
Beltzer war der erste, der sich einen Krug Wein schnappte und in die kühle Nachtluft hinauswanderte. Maggrig und Finn folgten ihm bald. Unbeeindruckt von dem Strom von Geräuschen, die Norral von sich gab, rollte Okas sich auf dem Boden zum Schlafen zusammen.
Chareos und Kiall saßen bis nach Mitternacht mit dem Bauern zusammen, doch als er keine Spur von Müdigkeit zeigte, gähnte Chareos übertrieben. »Ich mußt dir für den höchst unterhaltsamen Abend danken«, sagte er. »Aber wir werden bald nach Morgengrauen aufbrechen. Wenn du mich jetzt entschuldigst. Ich lasse dich in Kialls Gesellschaft zurück. Er ist jünger als wir anderen, und ich bin sicher, er kann viel von dir lernen.«
Steif vor Langeweile, bezähmte Kiall seinen Zorn und wappnete sich für weitere von Norrals Geschichten. Doch als der letzte der Helden von Bel-Azar gegangen war, hatte Norral kein Bedürfnis mehr, mit einem ehemaligen Dorfbewohner zu sprechen. Er entschuldigte sich und ging zu Bett.
Kiall stand auf und schlenderte in die Nacht hinaus. Nur Beltzer war noch wach. Kiall setzte sich neben ihn.
»Sind dem alten Windbeutel die Geschichten ausgegangen?« fragte der Riese.
»Nein. Die Zuhörer.«
»Bei den Göttern, er braucht keine Palisade! Es reicht, wenn er einen Abend lang ein Nadrendorf besucht. Die Räuber würden das Dorf hier meiden wie die Pest.«
Kiall sagte nichts, sondern stützte das Kinn in die Hände und betrachtete die Häuser um sie herum. Goldenes Licht drang in dünnen Strahlen durch die geschlossenen Fensterläden.
»Was betrübt dich, Junge?« fragte Beltzer und trank den letzten Schluck Wein.
»Alles ist verändert«, erwiderte Kiall. »Das ist nicht mehr mein Zuhause.«
»Alles verändert sich«, sagte Beltzer, »außer den Bergen und dem Himmel.«
»Aber es ist nur ein paar Monate her. Jetzt … es ist, als ob es Ravenna nie gegeben hätte.«
»Die Leute können es sich nicht leisten, dauernd zu trauern, Kiall. Sieh dich um! Die Felder müssen gesät, bearbeitet, abgeerntet werden, Tiere gefüttert, getränkt, versorgt. Ravenna ist Getreide vom letzten Jahr. Götter, Mann, wir alle sind vom letzten Jahr.«
»So sollte es aber nicht sein«, widersprach Kiall.
»Falsch, mein Junge. Es ist der einzige Weg, wie es sein
kann.«
Er nahm den leeren Krug und reichte ihn Kiall. »Was siehst du?«
»Was gibt es da zu sehen? Du hast ihn geleert.«
»Genau. Der Wein war gut, aber jetzt ist keiner mehr da. Schlimmer noch, morgen werde ich ihn an einen Baum pissen. Dann kann keiner mehr sagen, ob es Wein oder Wasser war.«
»Wir sprechen nicht über Wein – wir sprechen von Menschen. Von Ravenna.«
»Da gibt es keinen Unterschied. Die Leute haben getrauert … jetzt leben sie weiter.«
Kurz nach Sonnenaufgang verschwand Okas in die Berge, um die Geistpfade zu suchen. Kiall ging davon, um Ravennas Schwester zu suchen, und fand sie im Haus
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