Die Drenai-Saga 5 - Im Reich des Wolfes
matten Grün, und die Stufen glänzten wie geölt. Er holte tief Luft, dann wagte er sich auf die erste Stufe. Dann die zweite. Arme schossen aus den Wänden, gekrümmte Finger und Klauen griffen nach ihm. Das Schwert sauste herab und hieb auf eine geschuppte Hand ein. Finger packten seine Ledertunika. Er riß sich los und kämpfte sich die Treppe hoch. Seine Klinge hackte und hieb sich einen Weg durch die tastenden, sich windenden Glieder.
Am oberen Ende der Treppe befand sich ein rechteckiger Absatz
. Zwei Türen gingen davon ab. Eine war in Gold gefaßt und stand halb offen, die andere wurde von einer riesigen dreiköpfigen Schlange bewacht, deren Windungen sich um den ganzen Rahmen schlängelten. Die halboffene Tür ließ einen Strahl Sonnenlicht sehen, warm und willkommenheißend, lockend. Waylander ignorierte sie;
seine Augen fixierten die Schlange. Ihre Mäuler waren gewaltig. Jedes hatte Fangzähne, die über zwanzig Zentimeter lang waren. Gift tropfte aus ihnen auf den Steinfußboden, wo es zischte und blubberte.
Eine Gestalt in einem Lichtgewand erschien in der halboffenen Tür
. »Komm hierher! Rasch!« sagte die Gestalt, ein Mann mit freundlichem Gesicht, weißem Haar und liebevollen blauen Augen. »Komm zum Licht!« Waylander machte eine Bewegung auf ihn zu, als wollte er gehorchen, doch als er dicht genug heran war, packte er den Mann, zerrte ihn an seinen Kleidern und schleuderte ihn auf die Schlange zu. Zwei der Köpfe schossen vor. Der erste schloß sich um die Schulter des Mannes, der zweite stieß seine Zähne in sein Bein. Die Schreie des Opfers erfüllten die Luft.
Als Waylander an dem um sich schlagenden Mann vorbeisprang
, zuckte der dritte Kopf herab. Waylander stieß ihm sein Schwert ins Auge. Schwarzes Blut quoll aus der Wunde, und der Kopf fuhr zurück. Waylander warf sich mit der Schulter gegen die Tür. Er spürte, wie das Holz nachgab, und stürzte in einen großen Saal. Als er sich auf die Füße rollte, sah er, daß ein Mann ihn erwartete.
Es war Morak
.
»Jetzt rettet dich kein sterbender Hund mehr!« sagte der tote Meuchelmörder.
»Bei Hurensöhnen wie dir brauche ich keine Hilfe«, erwiderte Waylander. »Damals warst du nichts, jetzt bist du weniger als nichts.«
Moraks Gesicht verzerrte sich
, und er setzte zum Angriff an. Waylander wich aus, parierte den Stoß und konterte mit einem Hieb, der Morak fast den Kopf von den Schultern schlug. Der Meuchelmörder taumelte, fing sich jedoch wieder. Sein Kopf war in einem unnatürlichen Winkel geneigt.
»Wie tötet man einen toten Mann?« höhnte er und griff erneut an. Waylander parierte und zielte wieder auf den klaffenden Hals. Der Kopf fiel zu Boden, doch der Körper setzte seinen Angriff fort. Waylander blockte zwei Hiebe ab und stieß seine Klinge in den bereits geöffneten Brustkasten, doch er verlangsamte seinen kopflosen Gegner nicht einmal. Gelächter erklang aus der Luft. »Bekommst du Angst?« Moraks Stimme hallte in dem Saal wider
;
durch die Luft schwirrten gekreischte Unflätigkeiten.
Waylander duckte sich unter einem wilden Hieb und lief dann zu dem abgetrennten Kopf
, den er bei den Haaren hochriß. Er wirbelte herum und schleuderte ihn auf die offene Tür zu. Der Kopf prallte auf und kollerte durch den Spalt. Eine Schlange stieß herab, das riesige Maul klappte zu. Sofort hörte das Gekreische auf.
Der kopflose Körper brach zusammen
.
Waylander fuhr herum
, in Erwartung des nächsten Angriffs.
»Woher wußtest du, welche Tür du nehmen mußtest?« fragte eine andere Stimme. Waylander suchte nach der Quelle, konnte aber niemanden sehen.
»Das war nicht schwer«, antwortete er, das Schwert kampfbereit in den Händen.
»Ja. Ich verstehe. Das Sonnenlicht und das weiße Gewand waren etwas zu offensichtlich. Diesen Fehler werde ich nicht noch einmal machen. Ich muß sagen, Morak war eine Enttäuschung. Als er noch am Leben war, hat er dir einen anständigen Kampf geliefert.«
»Er hatte auch mehr, wofür zu kämpfen sich lohnte«, sagte Waylander. »Wer bist du? Zeig dich.«
»Natürlich, wie unhöflich von mir.« Am anderen Ende des Saals erschien eine Gestalt, ein hochgewachsener Mann in purpurnen Gewändern. Sein Haar war mit Öl flach an den Schädel geklebt, bis auf zwei geflochtene Koteletten, die ihm bis auf die schmalen Schultern reichten. »Ich bin Zhu Chao.«
»Den Namen habe ich schon gehört.«
»Natürlich hast du das. So, wollen wir mal sehen, was wir zu unserem Vergnügen zusammenbrauen
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