Die Drenai-Saga 5 - Im Reich des Wolfes
zweitausend Raq ins Dorf des Mannes geschickt hat, dazu einen gewaltigen Vorrat an Getreide für den Winter.«
»Nun, da hast du es«, sagte Angel. »Er ist ein guter Mann.«
»Manchmal kann ich dich einfach nicht begreifen, mein Freund. Findest du es nicht seltsam, daß der Vater plötzlich eine solche Bitte vorträgt? Bei den Göttern, Mann, er wurde dazu gezwungen! Leute, die Karnak kritisieren, neigen zu
Unfällen.«
»Ich glaube diese Geschichte nicht. Karnak ist ein Held. Er und Egel haben dieses Land gerettet.«
»Ja, und schau nur, was mit Egel geschehen ist.«
»Ich glaube, ich habe genug von Politik«, fuhr Angel auf, »und über Religion will ich nicht reden. Was gibt’s sonst noch?«
Balka schwieg einen Moment, dann grinste er. »Ach ja, es geht das Gerücht, daß man der Gilde eine gewaltige Summe geboten hat, wenn sie Waylander aufspürt.«
»Zu welchem Zweck?« fragte Angel, offensichtlich verblüfft.
Balka zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht. Aber ich hörte es von Symius, und sein Bruder ist Schreiber bei der Gilde. Fünftausend Raq für die Gilde und weitere zehntausend für den Mann, der ihn tötet.«
»Wer hat die Kopfjagd ausgeschrieben?«
»Das weiß niemand. Aber man hat eine hohe Belohnung für jeden Hinweis über Waylander ausgesetzt.«
Angel lachte und schüttelte den Kopf. »Das wird nicht leicht sein. Niemand hat Waylander seit … wieviel? … zehn Jahren? … gesehen. Er könnte schon tot sein.«
»Irgend jemand ist offenbar anderer Ansicht.«
»Das ist Wahnsinn – eine Vergeudung von Geld und Leben.«
»Die Gilde ruft ihre besten Männer zusammen«, lockte Balka. »Sie werden ihn finden.«
»Sie werden sich noch wünschen, es nicht geschafft zu haben«, sagte Angel leise.
1
Miriel war knapp über eine Stunde gelaufen. In dieser Zeit hatte sie die etwa vierzehn Kilometer von der Hütte zur Hochweide, hinunter zum Flußpfad, über die Kuppe von Axe Ridge und zurück über den alten Wildpfad zurückgelegt.
Jetzt wurde sie allmählich müde, ihr Herz schlug schneller, und die Lungen versuchten, Sauerstoff in ihre erschöpften Muskeln zu pumpen. Doch sie lief weiter, fest entschlossen, die Hütte zu erreichen, ehe die Sonne am höchsten stand.
Der Hang war vom Regen der letzten Nacht schlüpfrig, und sie stolperte zweimal, so daß die lederne Messerscheide um ihre Taille gegen ihre nackten Schenkel schlug. Leicht gereizt hastete sie weiter. Ohne das lange Jagdmesser und das Wurfmesser, das an ihrem linken Arm festgeschnallt war, hätte sie eine bessere Zeit geschafft. Aber das Wort ihres Vaters war Gesetz, und Miriel verließ die Hütte nie, ohne ihre Waffe umzuschnallen.
»Hier ist doch niemand außer uns«, hatte sie eingewandt, nicht zum erstenmal.
»Erwarte das Beste – sei bereit für das Schlimmste«, war alles, was ihr Vater gesagt hatte.
Und so rannte sie mit der schweren Scheide, die gegen ihr Bein schlug, während der Griff des Wurfmessers die Haut an ihrem Unterarm abschürfte.
Als sie zu einer Biegung des Pfades gelangte, sprang sie über den umgestürzten Raum, landete leichtfüßig und bog nach links zum letzten Hügel ab. Ihre langen Beine steigerten das Tempo; ihre nackten Füße gruben sich in die weiche Erde. Ihre schlanken Waden brannten, und ihre Lungen waren heiß. Doch sie jubilierte, denn die Sonne war noch mindestens zwanzig Minuten von ihrem Mittagsstand entfernt, und sie hatte nur noch drei Minuten bis zur Hütte.
Ein Schatten bewegte sich links von ihr – Klauen und Zähne blitzten auf. Sofort warf Miriel sich nach vorn, prallte mit der rechten Seite auf und rollte sich auf die Füße. Die Löwin, verwirrt, weil sie ihr Opfer beim ersten Sprung verfehlt hatte, kauerte sich nieder, die Ohren flach an den Schädel gelegt, die gelbbraunen Augen auf die hochgewachsene junge Frau gerichtet.
Miriels Gedanken überschlugen sich.
Aktion und Reaktion. Übernimm die Kontrolle
!
Ihr Jagdmesser glitt ihr in die Hand, und sie brüllte, so laut sie konnte. Erschreckt von dem Lärm zog die Löwin sich zurück. Miriels Kehle war ausgedörrt, und ihr Herz schlug wild, doch die Hand mit dem Messer zitterte nicht. Sie brüllte noch einmal und sprang das Tier an. Entnervt von der plötzlichen Bewegung wich das Tier noch ein paar Schritte zurück. Miriel leckte sich die Lippen. Eigentlich hätte es jetzt davonlaufen sollen. Angst stieg ihr in die Kehle, doch sie schluckte sie hinunter.
Angst ist wie Feuer im Bauch
. Wenn du sie beherrschst, wärmt sie
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