Die Drenai-Saga 6 - Druss-Die Legende
fast vorüber«, erwiderte er und führte sie zu einer kleinen, kreisförmigen Bank unter einem blühenden Baum.
»Wann wirst du kapitulieren?« fragte sie.
Er zuckte die Achseln. »Wenn ich den Befehl dazu erhalte.«
»Aber die Schlacht ist doch unnötig. Der Krieg ist vorbei. Wenn du mit Gorben verhandelst, wird er uns ziehen lassen. Du kannst mir dein Heim in Naashan zeigen. Du hast mir immer versprochen, mich auf deinen Besitz an den Seen mitzunehmen. Du sagtest, die Gärten dort würden mich mit ihrer Schönheit blenden.«
»Das würden sie auch«, antwortete er. Er legte die Hände um ihre Taille, stand auf und hob sie rasch hoch, um ihr einen leichten Kuß auf die Lippen zu geben.
»Laß mich runter. Du reißt deine Wunden wieder auf – du weißt, was der Arzt gesagt hat.«
Er kicherte. »Ja, ich habe es gehört. Aber die Wunde ist fast verheilt.« Er küßte sie noch zweimal; dann setzte er sie wieder ab, und sie führten ihren Spaziergang fort. »Es gibt ein paar Dinge, über die wir reden müssen«, sagte er, doch als sie darauf wartete, daß er weitersprach, betrachtete er nur die Sterne, und das Schweigen wuchs.
»Welche Dinge?«
»Dich«, sagte er schließlich. »Dein Leben.« Rowena schaute ihn an, sah die angespannten Linien auf seinem mondbeschienenen Gesicht, sah, wie sich die Muskeln seines Kinns spannten.
»Mein Leben ist bei dir«, sagte sie. »Das ist alles, was ich will.«
»Manchmal wollen wir mehr, als wir haben können.«
»Sag das nicht!«
»Du warst eine Seherin – eine gute. Kabuchek hat zweihundert Silberstücke für eine einzige Lesung von dir verlangt. Du hast dich nie geirrt.«
»Das weiß ich alles, das hast du mir schon oft erzählt. Was macht das jetzt für einen Unterschied?«
»Jeden Unterschied der Welt. Du wurdest im Land der Drenai geboren und von Sklavenhändlern gefangengenommen. Aber es gab einen Mann …«
»Ich will nichts davon hören«, sagte sie, machte sich von ihm los und ging zum Ufer eines kleinen Teiches. Er folgte ihr nicht, wohl aber seine Worte.
»Der Mann war dein Ehemann.« Rowena setzte sich ans Ufer und ließ ihre Finger durchs Wasser gleiten, so daß sie Kreise auf der mondbeschienenen Fläche hervorrief.
»Der Mann mit der Axt«, sagte sie dumpf.
»Du erinnerst dich?« fragte er, ging zu ihr und setzte sich neben sie.
»Nein. Aber ich sah ihn einmal – im Haus von Kabuchek. Und auch in einem Traum, als er in einem Kerker lag.«
»Nun, jetzt ist er nicht in einem Kerker, Pahtai. Er ist draußen vor der Stadt. Er ist Druss der Axtschwinger, Gorbens Meisterkämpfer.«
»Warum erzählst du mir all das?« fragte sie und wandte ihm im hellen Mondlicht ihr Gesicht zu.
Sein weißes Gewand schimmerte. Er sah geisterhaft aus, beinahe unwirklich. »Glaubst du, ich will das?« entgegnete er. »Ich würde lieber mit bloßen Händen gegen einen Löwen kämpfen, als dieses Gespräch zu führen. Aber ich liebe dich, Pahtai. Ich habe dich seit unserer ersten Begegnung geliebt. Du standest mit Pudri im Flur von Kabucheks Haus und hast mir meine Zukunft vorhergesagt.«
»Was habe ich dir gesagt?«
Er lächelte. »Du hast mir erzählt, ich würde die Frau heiraten, die ich liebe. Aber das ist jetzt nicht wichtig. Ich glaube, daß du bald deinem … ersten … Mann begegnen wirst.«
»Ich will aber nicht.« Ihr Herz klopfte schnell, und sie fühlte sich schwach. Michanek legte die Arme um sie.
»Ich weiß nicht viel über ihn, aber ich kenne dich«, sagte er. »Du bist eine Drenai. Eure Bräuche sind anders als die unseren. Du bist nicht von hoher Geburt; deshalb ist es wahrscheinlich, daß du aus Liebe geheiratet hast. Und denk daran: Druss ist dir seit sieben Jahren durch die ganze Welt gefolgt. Er muß dich sehr lieben.«
»Ich will nicht darüber reden!« sagte sie. Ihre Stimme wurde schrill, als Panik sie überfiel. Sie versuchte aufzustehen, doch er hielt sie fest.
»Ich auch nicht«, flüsterte er heiser. »Ich wollte hier mit dir sitzen und die Sterne betrachten. Ich wollte dich küssen und dich lieben.« Er senkte den Kopf, und sie sah die Tränen in seinen Augen.
Ihre Panik verschwand, und ein kalter Hauch der Angst legte sich um ihre Seele. Sie schaute in sein Gesicht. »Du redest, als ob du sterben würdest.«
»Oh, das werde ich auch … eines Tages«, sagte er lächelnd. »Jetzt muß ich gehen. Ich treffe mich mit Darishan und den anderen Offizieren, um die Strategie für morgen zu besprechen. Sie müßten eigentlich schon im Haus
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