Die Drenai-Saga 6 - Druss-Die Legende
er, »und deine Augen sind müde.«
»Gib mir was zu trinken, dann strahlen sie wieder. Was sollen die schwarzen Umhänge und Helme?«
»Wir sind die neuen Unsterblichen, Druss.«
»Du siehst nicht gerade unsterblich aus, wenn ich mir das da ansehe«, meinte Druss und deutete auf den blutdurchtränkten Verband an Oliquars rechtem Oberarm.
»Es ist ein Titel – ein großer Titel. Zwei Jahrhunderte lang waren die Unsterblichen die handverlesene Ehrengarde des Kaisers. Die besten Soldaten, Druss – die Elite. Doch vor etwa zwanzig Jahren führte der General der Unsterblichen, Vuspash, eine Revolte an, und das Regiment wurde aufgelöst. Jetzt hat der Kaiser es wieder neu gebildet – uns! Es ist eine unschätzbare Ehre, ein Unsterblicher zu sein.« Er beugte sich vor und zuckte zusammen. »Und die Bezahlung ist hoch – doppelt so hoch wie beim normalen Soldaten!«
Er füllte die Becher und reichte jedem der Gäste einen. Druss leerte den seinen in einem Zug, und Oliquar schenkte ihm nach. »Und wie läuft’s mit der Belagerung?« fragte der Axtschwinger.
Oliquar zuckte die Achseln. »Dieser Michanek hält sie zusammen. Er ist ein Löwe, Druss, unermüdlich und tödlich. Er hat im Zweikampf gegen Bodasen gekämpft. Wir dachten, der Krieg wäre vorbei. Der Kaiser bot ihm zweihundert Wagen mit Lebensmitteln an, denn die Stadt hungert. Wenn Bodasen verliert, sollten die Lebensmittel geliefert werden, wenn er siegt, sollten die Stadttore geöffnet werden, und die Naashaniter hätten freien Abzug erhalten.«
»Michanek hat Bodasen getötet?« fragte Eskodas. »Er war ein großer Schwertkämpfer.«
»Er hat ihn nicht getötet. Er hat ihm eine Wunde in der Brust zugefügt und trat dann zurück. Die ersten fünfzig Wagen wurden vor einer Stunde abgeliefert, der Rest folgt heute Abend. Das bedeutet für uns eine Zeitlang knappe Rationen.«
»Warum hat er ihm nicht den Todesstoß versetzt?« fragte Sieben. »Gorben hätte sich weigern können, die Lebensmittel zu schicken. Duelle sollen doch bis zum Tod gekämpft werden, oder?«
»Ja. Doch dieser Michanek ist, wie ich schon sagte, etwas Besonderes.«
»Das hört sich an, als könntest du den Mann leiden«, fauchte Druss und leerte seinen zweiten Becher.
»Stimmt, Druss. Es ist schwer, ihn nicht zu mögen. Ich hoffe immer noch, daß sie kapitulieren. Der Gedanke, so großartige Kämpfer zu töten, gefällt mir gar nicht. Ich meine, der Krieg ist doch vorbei – das ist nur noch die letzte Schlacht. Welchen Sinn hat es, noch weiter zu töten und zu sterben?«
»Michanek hat meine Frau«, sagte Druss mit tiefer, kalter Stimme. »Er hat sie dazu gebracht, ihn zu heiraten, und er hat ihre Erinnerungen geraubt. Sie kennt mich überhaupt nicht mehr.«
»Es fällt mir schwer, das zu glauben«, meinte Oliquar.
»Nennst du mich einen Lügner?« zischte Druss. Seine Hand schoß vor und schloß sich um den Griff der Axt.
»Und es fällt mir schwer, das zu glauben«, sagte Oliquar. »Was ist los mit dir, mein Freund?«
Druss’ Hand zitterte auf dem Schaft; dann riß er sie los und rieb sich die Augen. Er holte tief Luft und zwang sich zu einem Lächeln. »Ach, Oliquar! Ich bin müde, und der Wein macht mich dumm. Aber was ich sagte, stimmt. Ich weiß es von einem Priester Pashtar Sens. Morgen werde ich diese Mauern besteigen, und ich werde Michanek finden. Dann sehen wir ja, wie gut er ist.«
Druss stemmte sich hoch und ging ins Zelt. Eine Zeitlang saßen die drei Männer schweigend da; dann sagte Oliquar leise: »Michaneks Frau wird Pahtai genannt. Einige Flüchtlinge aus der Stadt sprachen von ihr. Sie ist eine sanfte Seele. Als die Pest in der Stadt wütete, ging sie zu den Kranken und Sterbenden, tröstete sie und brachte ihnen Medizin. Michanek verehrt sie, und sie ihn. Das ist allgemein bekannt. Und ich sage noch einmal – er ist nicht der Mann, der eine Frau durch Betrügereien gewinnt!«
»Es spielt keine Rolle«, sagte Eskodas. »Es ist ein Schicksal wie in Stein gemeißelt. Zwei Männer und eine Frau, das muß Blutvergießen bringen. Ist es nicht so, Dichter?«
»Leider hast du recht«, stimmte Sieben ihm zu. »Aber ich fragte mich, was sie empfinden wird, wenn Druss zu ihr marschiert, getränkt vom Blut des Mannes, den sie liebt. Was dann?«
Druss, der auf einer Decke im Zelt lag, hörte jedes Wort. Und sie schnitten ihm ins Herz wie feurige Messer.
Michanek beschattete die Augen vor der untergehenden Sonne und beobachtete die ferne Gestalt des
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