Die Drenai-Saga 6 - Druss-Die Legende
Ich werde nicht einfach sterben.« Die Augen des Schwertkämpfers zuckten nach links, und er lächelte breit. »Bei den Göttern, das ist ein Anblick, der den Augen wohltut!«
Gorben drehte sich um und sah Druss und Sieben auf sie zukommen. Der Dichter sank auf ein Knie und beugte den Kopf. Druss machte eine angedeutete Verbeugung.
»Schön, dich zu sehen, Axtschwinger«, sagte Gorben, trat vor und umarmte Druss. Dann drehte er sich um, nahm Sieben beim Arm und zog ihn auf die Füße. »Und ich habe deine Talente vermißt, Sagenmeister. Kommt, setzt euch zu uns.«
Diener brachten zwei Sofas für die Gäste des Kaisers, und goldene Becher wurden mit gutem Wein gefüllt. Druss ging zu Bodasen. »Du siehst so schwach aus wie ein drei Tage altes Kätzchen«, sagte er. »Wirst du am Leben bleiben?«
»Ich werd’s versuchen, Axtträger.«
»Er hat mich zweihundert Wagen mit Lebensmitteln gekostet«, sagte Gorben. »Ich bin selbst schuld, weil ich ihn für unbesiegbar hielt.«
»Wie gut ist dieser Michanek?« fragte Druss.
»Gut genug, daß ich hier liege und kaum atmen kann«, antwortete Bodasen. »Er ist schnell, und er ist furchtlos. Der beste Kämpfer, dem ich je begegnet bin. Ich möchte nicht noch einmal gegen ihn antreten.«
Druss wandte sich an Gorben. »Möchtest du, daß ich es mit ihm aufnehme?«
»Nein«, sagte Gorben. »Die Stadt fällt ohnehin in den nächsten ein, zwei Tagen – es ist kein Zweikampf nötig, um die Sache zu entscheiden. Die Mauern sind unterhöhlt. Morgen, wenn der Wind günstig ist, setzen wir sie in Brand. Dann gehört die Stadt uns, und dieser gräßliche Krieg ist vorbei. Und jetzt erzähl mir alles über deine Abenteuer. Ich hörte, du wurdest gefangengehalten?«
»Ich bin entkommen«, erklärte Druss und leerte seinen Becher. Ein Diener eilte herbei, um ihn wieder zu füllen.
Sieben lachte. »Ich erzähle es dir, Majestät«, sagte er und stürzte sich in einen sehr ausgeschmückten Bericht über Druss’ Zeit in Cajivaks Kerker.
Das riesige Lagerfeuer brannte herunter, und ein paar Männer kamen, um große Holzscheite nachzulegen. Plötzlich hob sich der Erdboden unter einem von ihnen, so daß er fiel. Gorben blickte auf und sah, wie der Mann aufzustehen versuchte. Überall um das Feuer herum krochen die Sitzenden zurück. »Was ist das?« fragte Gorben, erhob sich und ging nach vorn. Der Boden wogte unter ihm.
»Ist das ein Erdbeben?« hörte er Sieben fragen, an Druss gewandt.
Gorben blieb still stehen und blickte zu Boden. Die Erde wand sich. Plötzlich flammte das Lagerfeuer auf und sandte helle Funken in den Nachthimmel. Die Hitze war ungeheuer, und Gorben wich zurück, während er in die Flammen starrte. Scheite explodierten, und eine gewaltige Gestalt erschien im Feuer, ein Ungeheuer mit ausgebreiteten Armen. Die Flammen erstarben, und Gorben starrte einen riesigen Bären an, der fast dreieinhalb Meter hoch war.
Einige Soldaten rannten mit Speeren auf das Wesen zu und stießen ihre Waffen in den gewaltigen Leib. Der erste Speer brach beim Aufprall. Das Wesen brüllte auf; es war ein ohrenbetäubendes Geräusch wie ein Donnerschlag. Einer der mächtigen Arme fuhr herab, und stählerne Klauen zerfetzten den ersten Soldaten und rissen ihn in der Mitte entzwei.
Die Kreatur sprang aus dem ersterbenden Feuer und machte einen Satz auf Gorben zu.
Als das Feuerwesen erschien, verlor Sieben, der neben Bodasen saß, jedes Gefühl für Zeit und Wirklichkeit. Sein Blick heftete sich auf das Untier, und ein Bild stieg aus den Tiefen seiner Erinnerung und verband das, was er hier in entsetzlicher Lebensgröße vor sich sah, mit dem, was er in einem kurzen Augenblick vor drei Jahren in der Hauptbibliothek in Drenan gesehen hatte. Als er für ein Heldengedicht Nachforschungen anstellte, hatte er die alten, ledergebundenen Bücher in den Archiven durchgeblättert. Die Seiten waren zerknittert und vergilbt, Tinte und Farbe waren vielfach verblaßt, doch auf einer Seite waren die Farben noch immer leuchtend und kräftig: glühendes Gold, wilde Rottöne, sonnenleuchtendes Gelb. Die auf der Seite abgebildete Gestalt war ungeheuer. Flammen sprossen wie Blüten aus ihren Augen. Sieben konnte noch immer die sorgsam gemalten Buchstaben über dem Bild sehen:
Der Kaiith von Numar
Darunter standen die Worte:
Das Chaoswesen, der Jäger, der Hund des Unbesiegbaren, dessen Haut keine menschliche Klinge durchdringen kann. Wo er geht, folgt der Tod.
Wenn Sieben sich später
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