Die Drenai-Saga 6 - Druss-Die Legende
Seele Frieden.«
»Was bereitet dir dann Kummer?«
»Die Wolken. Sie ziehen vor die Sonne. Sie werfen Schatten. Dann sind sie fort. Bin ich auch so, Rowena? Werde ich nichts hinterlassen?«
»Was möchtest du denn hinterlassen?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete er und wandte den Blick ab.
»Du hättest gern einen Sohn gehabt«, sagte sie leise. »Genau wie ich. Aber es sollte nicht sein. Gibst du mir die Schuld daran?«
»Nein! Nein! Niemals.« Er schlang die Arme um sie und zog sie an sich. »Ich liebe dich. Ich habe dich immer geliebt und werde dich immer lieben. Du bist meine Frau!«
»Ich hätte dir gern einen Sohn geschenkt«, flüsterte sie.
»Es ist nicht wichtig.«
Sie saßen schweigend beieinander, bis die Wolken sich verdunkelten und die ersten Regentropfen fielen.
Druss stand auf, nahm Rowena auf den Arm und machte sich auf den langen Weg zurück zu ihrem Haus aus Stein. »Setz mich ab«, befahl sie. »Du wirst dir Rückenschmerzen holen.«
»Unsinn. Du bist leicht wie eine Feder. Und bin ich nicht der stärkste Mann der Welt?«
Im Kamin brannte ein Feuer, und ihr ventrischer Diener, Pudri, bereitete Glühwein für sie. Druss ließ Rowena in einen breiten ledernen Sessel sinken.
»Du bist ganz rot vor Anstrengung«, schalt sie.
Er lächelte, widersprach jedoch nicht. Seine Schulter tat weh, und sein Rücken schmerzte teuflisch. Der schlanke Pudri grinste sie beide an.
»Ihr seid solche Kinder«, sagte er und schlurfte davon in die Küche.
»Er hat recht«, sagte Druss. »Mit dir bin ich immer noch der Bauernjunge, der mit der schönsten Frau Drenais unter der großen Eiche steht.«
»Ich war niemals schön«, widersprach Rowena, »aber es hat mich gefreut, wenn du es damals sagtest.«
»Du warst schön – und bist es noch«, versicherte er.
Das Feuer ließ Schatten auf den Wänden tanzen, als das Tageslicht draußen nachließ. Rowena schlief ein, und Druss betrachtete sie schweigend. In den vergangenen drei Jahren war sie viermal zusammengebrochen, und die Ärzte hatten Druss gewarnt, daß ihr Herz schwach sei. Der alte Krieger hatte ihnen wortlos zugehört; seine eisblauen Augen verrieten keine Gefühle. Doch in seinem Innern hatte eine entsetzliche Angst zu wachsen begonnen. Er hatte seine Kämpfe aufgegeben und sich in den Bergen niedergelassen, in der Hoffnung, daß seine ständige Gesellschaft Rowena am Leben festhalten würde.
Er beobachtete sie ständig, ließ nie zu, daß sie allzusehr ermüdete, sorgte sich darum, daß sie genügend aß, und wachte des Nachts auf, um ihren Puls zu fühlen.
»Ohne sie bin ich nichts«, gestand er seinem Freund Sieben, dem Dichter. »Wenn sie stirbt, stirbt ein Teil von mir mit ihr.«
»Ich weiß, altes Roß«, antwortete Sieben. »Doch ich bin sicher, daß es der Prinzessin gutgeht.«
Druss lächelte. »Wieso hast du aus ihr eine Prinzessin gemacht? Könnt ihr Dichter denn nicht einmal bei der Wahrheit bleiben?«
Sieben breitete die Hände aus und kicherte. »Man muß seinem Publikum etwas bieten. Die Saga von Druss der Legende brauchte eine Prinzessin. Wer würde sich schon die Geschichte von dem Mann anhören, der sich durch die halbe Welt kämpfte, um ein Bauernmädchen zu retten?«
»Druss die Legende? Pah! Es gibt keine echten Helden mehr. Männer wie Egel, Karnak und Waylander sind ausgestorben. Das waren Helden, große Männer mit feurigen Augen.«
Sieben lachte laut auf. »Das sagst du nur, weil du es in den Liedern so gehört hast. In zukünftigen Jahren werden die Menschen genauso von dir reden. Von dir und dieser verfluchten Axt.«
Die verfluchte Axt.
Druss blickte zu der Wand, an der die Waffe hing. Ihre silbernen Doppelklingen glänzten im Feuerschein. Snaga der Todesbringer, die Klingen ohne Wiederkehr. Er stand auf, ging lautlos durchs Zimmer und nahm die Axt von den Haken, an denen sie hing. Der schwarze Schaft fühlte sich warm an, und wie immer spürte er, wie ihn Kampfeslust durchbrandete, wenn er die Waffe schwang. Zögernd hängte er sie zurück und an ihren Platz.
»Sie rufen dich«, sagte Rowena. Er fuhr herum und sah, daß sie wach war und ihn beobachtete.
»Wer ruft mich?«
»Die Kriegshunde. Ich kann sie bellen hören.« Druss schauderte und lächelte gezwungen.
»Niemand ruft mich«, erwiderte er, doch in seiner Stimme lag keine Überzeugungskraft. Rowena war immer schon eine Mystikerin gewesen.
»Gorben kommt, Druss. Seine Schiffe sind bereits ausgelaufen.«
»Das ist nicht mein Krieg. Meine Treue
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