Die Drenai-Saga 6 - Druss-Die Legende
hatte.
»Was ist mit dem König der Hahnreie?« fragte Archytas. »War er auch da?«
»Sieben? Ja, er kam zum Abendessen. Er sieht uralt aus. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Damen noch immer von ihm schwärmen. Kahl wie ein Fels und dürr wie ein Stock.«
»Glaubst du, Druss würde mit uns kämpfen wollen?« fragte Diagoras. »Das wäre was, das man den Kindern erzählen könnte!«
»Nein. Er ist darüber hinaus. Müde. Das sieht man ihm an. Aber ich mochte ihn. Er ist kein Angeber, das ist mal sicher. Ganz bodenständig. Man kann sich kaum vorstellen, daß er der Held so vieler Lieder und Balladen ist. Es heißt, daß Gorben ihn nie vergessen hat.«
»Vielleicht hat er die Flotte nur für ein Wiedersehen mit seinem Freund Druss hergeschickt«, sagte Archytas höhnisch. »Vielleicht solltest du dem General diesen Gedanken mitteilen. Dann könnten wir alle nach Hause gehen.«
»Es ist eine Idee«, gab Certak zu und dämmte seinen Zorn ein. »Aber wenn die Regimenter sich auflösen, wären wir deiner erlauchten Gesellschaft beraubt, Archytas. Und nichts wäre das wert.«
»Ich könnte damit leben«, meinte Diagoras.
»Und ich könnte gut auskommen, ohne das Zelt mit einem Rudel schlecht erzogener Hunde teilen zu müssen«, sagte Archytas. »Aber wenn es sein muß.«
»Na dann – wauwau«, sagte Diagoras. »Meinst du, jemand hat uns beleidigt, Certak?«
»Niemand, um den man sich Gedanken machen müßte«, erwiderte der Angesprochene.
»Also, das ist jetzt eine Beleidigung«, sagte Archytas und stand auf. Ein plötzlicher Aufruhr vor dem Zelt verhinderte den drohenden Streit. Die Zeltklappe wurde beiseite gezogen. Ein junger Soldat steckte seinen Kopf herein.
»Die Lampen sind angezündet«, sagte er. »Die Ventrier sind in Panrac gelandet.«
Die vier Krieger sprangen auf und sammelten eilig ihre Ausrüstung zusammen.
Archytas drehte sich um, während er seine Brustplatte festschnallte.
»Das ändert nichts«, sagte er. »Es ist eine Frage der Ehre.«
»Nein«, widersprach Certak. »Es ist eine Frage des Sterbens. Und das wirst du schon fein erledigen, du aufgeblasener Esel.«
Archytas grinste ihn freudlos an.
»Wir werden sehen.«
Diagoras zog die Ohrschützer seines Bronzehelms herunter und band sie unter dem Kinn fest. Dann beugte er sich verschwörerisch nahe zu Archytas hinüber.
»An eins solltest du denken, Ziegengesicht. Wenn du ihn tötest – was ich für ausgesprochen zweifelhaft halte – schneide ich dir die Kehle durch, während du schläfst.« Er lächelte freundlich und tätschelte Archytas die Schulter. »Weißt du, ich bin nämlich kein Edelmann.«
Das Lager war in Aufruhr. Entlang der Küste flackerten die Warnfeuer von den Gipfeln Skelns. Wie erwartet, war Gorben im Süden gelandet. Abalayn war mit zwanzigtausend Mann dort. Doch er war an Zahl mindestens eins zu zwei unterlegen. Es war ein harter Fünftagesritt bis Penrac, und die Befehle wurden eiligst erteilt, die Pferde gesattelt und die Zelte gepackt. Die Kochfeuer wurden abgedeckt und die Wagen beladen, während die Männer in scheinbarem Chaos durch das Lager eilten.
Bei Tagesanbruch blieben nur noch sechshundert Krieger am Skelnpaß zurück. Der Großteil der Armee donnerte südwärts, um Abalayn zu verstärken.
Graf Delnar, der Hüter des Nordens, rief die Männer kurz nach Tagesanbruch zusammen. Archytas stand neben ihm.
»Wie ihr wißt, sind die Ventrier gelandet«, sagte der Graf. »Wir sollen hierbleiben, falls sie eine kleine Truppe losschicken, um den Norden unsicher zu machen. Ich weiß, daß viele von euch lieber mit nach Süden geritten wären, aber – um das Offensichtliche noch einmal auszusprechen – jemand muß hier bleiben, um die sentranische Ebene zu schützen. Und wir wurden ausgewählt. Das Lager hier entspricht unseren Anforderungen nicht mehr. Wir werden zum Paß selbst ziehen. Noch Fragen?«
Es gab keine, und Delnar entließ die Männer und wandte sich an Archytas.
»Wieso man dich hiergelassen hat, weiß ich nicht«, sagte er. »Aber ich mag dich nicht, Bursche. Du bist ein Unruhestifter. Ich hätte gedacht, daß deine Fähigkeiten in Penrac willkommen gewesen wären. Aber egal. Falls du hier irgendwelchen Ärger machst, wirst du es bereuen.«
»Ich verstehe, Graf Delnar«, erwiderte Archytas.
»Gut. Noch etwas: Als mein Adjutant verlange ich von dir, daß du arbeitest und meine Anweisungen genauso weitergibst, wie ich sie dir erteile. Mir wurde berichtet, daß du ein Mann von
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