Die Drenai-Saga 6 - Druss-Die Legende
im Hintern eines Naashaniters steckt?«
Die Truppen lachten nervös. »Ja, es ist eine erheiternde Vorstellung«, rief Gorben, »oder sie wäre es, wenn sie nicht so tragisch wäre. Seht ihn an! Wie können Krieger einer solchen Kreatur folgen? Mein Vater hat ihn in seiner hohen Position eingesetzt, und er hat ihm vertraut. Aber er verriet den Mann, der ihm geholfen hatte und der ihn liebte wie einen Sohn. Nicht zufrieden damit, den Tod meines Vaters zu verschulden, hat er darüber hinaus alles in seiner Macht Stehende getan, um Ventria zu verwüsten. Unsere Städte brennen. Unser Volk ist versklavt. Und warum? Damit ein zitterndes Nagetier König spielen kann. Damit er auf allen vieren kriechen kann, um sich einem naashanitischen Ziegenhirten zu Füßen zu legen.«
Gorben blickte über die Truppen hinweg. »Wo sind die Naashaniter?« rief er. Von hinten erhob sich Gebrüll. »Ach ja«, sagte er, »wie immer ganz hinten!« Die Naashaniter begannen zu rufen, doch ihre Schreie gingen im Gelächter von Shabags Ventriern unter. Gorben hob Schweigen gebietend die Hände. »Nein!« rief er. »Sie sollen sagen, was sie zu sagen haben. Es ist unhöflich zu lachen und andere zu verspotten, weil sie nicht eure Fähigkeiten, euer Ehrverständnis, euren Sinn für Geschichte haben. Ich hatte mal einen naashanitischen Sklaven. Er lief mit einer der Ziegen meines Vaters davon. Aber eins muß ich ihm lassen – er hatte sich eine hübsche Ziege ausgesucht!« Dröhnendes Lachen erhob sich, und Gorben wartete, bis es sich wieder gelegt hatte. »Ach, meine Freunde«, sagte er schließlich. »Was tun wir eigentlich mit dem Land, das wir lieben? Wie konnten wir zulassen, daß die Naashaniter unsere Schwestern und Töchter vergewaltigen?« Gespenstische Stille senkte sich über das Lager. »Ich will euch sagen, wie. Männer wie Shabag haben ihnen die Türen geöffnet. ›Kommt rein‹, rief er, ›und macht, was ihr wollt. Ich will euer Hund sein. Aber bitte, bitte, laßt mich die Brosamen haben, die von eurem Tisch fallen. Laßt mich die Reste von euren Tellern lecken!‹« Gorben zog sein Schwert und reckte es hoch in die Luft, während er mit Donnerstimme weitersprach. »Aber das lasse ich nicht zu! Ich bin der Kaiser, gesalbt von den Göttern. Und ich kämpfe bis zum Tod, um mein Volk zu retten!«
»Und wir stehen hinter dir!« erklang eine Stimme von rechts. Druss erkannte den Sprecher. Es war Bodasen, und bei ihm waren die fünftausend Verteidiger von Capalis. Sie waren schweigend an den Belagerungstürmen vorbeimarschiert, während der Kampf tobte, und hatten sich an die feindlichen Linien geschlichen, während die Soldaten Gorben lauschten.
Als Shabags Ventrier unruhig wurden, sprach Gorben weiter. »Jedem Mann hier – außer den Naashanitern – wird vergeben, daß er Shabag gefolgt ist. Mehr noch, ich werde euch erlauben, mir zu dienen und eure Verbrechen zu sühnen, indem ihr Ventria befreit. Und noch mehr! Ich werde jedem von euch den Sold zahlen, der ihm zusteht – und zehn Goldstücke für jeden Mann, der schwört, für dieses Land, sein Volk und seinen Kaiser zu kämpfen.« In den hinteren Reihen versuchten die nervösen Naashaniter, sich davonzumachen und sich ein Stück entfernt zu einer kleinen Kampfeinheit zu formieren.
»Seht nur, wie sie sich verkriechen!« rief Gorben. »Jetzt ist es an der Zeit, euer Gold zu verdienen! Bringt mir die Köpfe des Feindes!«
Bodasen zwängte sich durch die Menge. »Folgt mir!« rief er. »Tod den Naashanitern!« Der Ruf wurde aufgenommen, und fast dreißigtausend Mann warfen sich auf die paar hundert naashanitischen Soldaten.
Gorben sprang von seinem Faß und marschierte zu Shabag. »Nun, Vetter«, sagte er sanft, doch mit beißender Schärfe, »wie hat dir meine Rede gefallen?«
»Reden konntest du immer schon gut«, antwortete Shabag mit einem bitteren Lachen.
»Ja, und ich kann singen und Harfe spielen und die Arbeiten unserer besten Gelehrten lesen. Diese Dinge sind mir teuer – wie dir sicherlich auch, Vetter. Ach, was muß es für ein schreckliches Schicksal sein, blind geboren zu werden oder die Sprache oder das Gefühl zu verlieren.«
»Ich bin von edlem Blut«, sagte Shabag, auf dessen Gesicht Schweiß glänzte. »Du kannst mich nicht verstümmeln.«
»Ich bin der Kaiser!« zischte Gorben. »Mein Wille ist Gesetz!«
Shabag fiel auf die Knie. »Töte mich rasch. Ich bitte dich … Vetter!«
Gorben zog einen Dolch aus der juwelenbesetzten Scheide an seiner Hüfte
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