Die Drenai-Saga 7 - Die Augen von Alchazzar
Nosta Khan saß unter dem Fenster. Aus einer Platzwunde an der Schläfe rann Blut. Er sah, daß Zhusai gefesselt war, sagte jedoch nichts.
»Dieser Mann ist durch die Leere gewandert«, sagte Talisman, »um seine Frau zu suchen. Er hat sie gefunden.«
»Ich kann seine Gedanken lesen, Talisman. Er ist den Nadir gegenüber nicht loyal. Er sucht …« Sie starrte Druss an. »… heilende Steine für einen sterbenden Freund. Warum sollte er sich den Schrecken von Giragast aussetzen? Er kennt mich nicht.«
Talisman wandte sich an Druss. »Das ist nicht Zhusai«, erklärte er. »Ihr Körper ist vom Geist von Shul-sen besessen. Um sie zu befreien, muß ich meinen Geist in die Leere schicken. Willst du mit mir kommen?«
»Wie sie sagte, kam ich her, um die Juwelen zu finden, von denen der Schamane gesprochen hatte«, sagte Druss, »und er hat mich angelogen. Warum sollte ich das tun?«
Talisman seufzte. »Ich kann dir keinen Grund nennen, nur, daß die Frau, die ich liebe, jetzt an diesem dunklen und bösen Ort gefangen ist. Und Oshikai, unser größter Held, sucht seit tausend Jahren nach dem Geist seiner Frau. Er weiß nicht, wo er suchen soll. Ich kann es ihm sagen, aber Shul-sen sagt, die Reise dorthin würde seine Seele auslöschen. Zwei Männer allein können nicht gegen die Dämonen dort kämpfen.«
»Und drei können es?« fragte Druss.
»Das kann ich nicht beantworten«, sagte Talisman. »Sie wird den Geist Zhusais nicht freilassen, ehe ich nicht einen Mann finde, der es mit Oshikai aufnehmen kann. Du bist der einzige hier, der zu einer Legende wie er geworden ist. Was kann ich noch sagen?«
Druss ging an ihm vorbei zu der gefesselten Frau. »Wie bist du gestorben?« fragte er.
»Chakata stach mir mit goldenen Nadeln …« Sie zögerte und riß plötzlich die Augen weit auf. »Du! Du und dein Freund, ihr habt mich befreit. Jetzt sehe ich es, in der Kammer. Er kam zurück und entfernte die Nadeln. Er fand mein
lon-tsia.«
Druss stand auf und sah Talisman in die Augen. »Wenn ich mit dir gehe, mein Freund, dann möchte ich, daß du mir etwas versprichst.«
»Nenne es!«
»Du läßt mich die Juwelen benutzen, um meinen Freund zu retten.«
»Bist du denn nicht deswegen hier?« wich Talisman aus.
»Das reicht nicht«, sagte Druss und ging zur Tür.
»Also schön. Du hast mein Wort. Wenn wir die Juwelen finden, werde ich sie dir geben, und du kannst sie mit nach Gulgothir nehmen.«
»Nein!« schrie Nosta Khan. »Was sagst du da?!«
Talisman hob die Hand. »Aber du mußt schwören, daß du sie zurückgibst, sobald dein Freund geheilt ist.«
»Es wird geschehen«, sagte Druss.
»Komm zu mir, Schwarzbart«, sagte Shul-sen, und Druss ging zum Bett zurück und setzte sich. Sie sah ihm tief in die Augen. »Alles, was ich bin oder je sein könnte, liegt jetzt in deinen Händen. Bist du ein Mann, dem ich vertrauen kann?«
»Das bin ich.«
»Ich glaube dir.« Sie sah Talisman an. »Ich werde an den Dunklen Ort zurückkehren und die Seele Zhusais befreien. Laßt mich nicht im Stich.«
Die Augen schlossen sich, dann flatterten die Lider. Ein langer, erstickter Seufzer entrang sich ihrer Kehle. Talisman lief zum Bett und löste die Stricke, die ihre Handgelenke banden. Sie schlug die Augen auf und stieß einen Schrei aus. Talisman drückte sie an sich. »Es ist alles gut, Zhusai. Du bist wieder bei uns!«
Nosta Khan ging zum Bett und legte seine Hand auf ihren Kopf. Nach einem Augenblick sagte er. »Sie ist zurückgekehrt. Das ist Zhusai. Ich werde jetzt einen Zauber vorbereiten, um jede erneute Inbesitznahme zu verhindern. Du hast es gut gemacht, Talisman, daß du sie getäuscht hast.«
»Ich habe sie nicht getäuscht«, sagte der Nadir kalt. »Ich werde meinen Teil der Abmachung einhalten.«
»Pah! Das ist verrückt. Eine Armee marschiert uns entgegen, und das Schicksal der Nadir liegt in deinen Händen. Jetzt ist nicht die Zeit, den Ehrenmann zu spielen.«
Talisman ging zur Wand und hob seinen Dolch auf. Langsam ging er auf Nosta Khan zu. »Wer ist hier der Anführer?« fragte er leise mit kalter Stimme.
»Du, aber …«
»Ja, ich, du elender Wurm. Ich bin der Anführer. Du bist mein Schamane. Ich dulde keinen weiteren Ungehorsam. Ich
spiele
nicht mit der Ehre. Ich gehorche ihr. Mein Wort ist aus Eisen. Jetzt und allezeit. Wir werden jetzt zum Schrein gehen. Du wirst Oshikai rufen und dann tun, was du tun mußt, um Druss und mich in die Leere zu schicken. Ist das klar, Schamane?«
»Es ist klar,
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