Die Drenai-Saga 7 - Die Augen von Alchazzar
Talisman.«
»Nicht Talisman für dich!« donnerte der Krieger. »Ist das jetzt klar?«
»Es ist klar … Herr.«
»Warum hältst du meine Hand fest, Dichter?« fragte Niobe, während sie mit Sieben über den Wehrgang der Westmauer spazierte. Sieben, der seine Leidenschaft während der vergangenen zwei Stunden mit ihr erschöpft hatte, lächelte müde.
»Es ist so Brauch bei meinem Volk«, sagte er, hob ihre Finger an die Lippen und küßte sie. »Liebende gehen oft Hand in Hand. Vielleicht ist es eine spirituelle Vereinigung, zumindest aber eine Berührung, die zeigt, daß zwei ein Paar sind. Außerdem gilt es als angenehm. Gefällt es dir nicht?«
»Ich mag es, dich in mir zu fühlen«, sagte sie, entzog ihm ihre Hand und setzte sich auf die Brüstung. »Ich mag den Geschmack deiner Zunge auf meiner. Ich mag die vielen Freuden, die deine Hände spenden können. Aber ich fühle mich gerne frei, wenn ich gehe. Handhalten ist etwas für Mutter und Kind. Ich bin nicht dein Kind.«
Sieben lachte leise, setzte sich neben sie und bewunderte ihr langes Haar, das im Mondschein glänzte. »Du bist eine Freude für mich«, sagte er. »Eine frische Brise nach einem Leben in stickigen Räumen.«
»Deine Kleider sind sehr hübsch«, bemerkte sie und strich über die blaue Seide seines Hemdes. »Die Knöpfe haben viele Farben.«
»Perlmutt«, erklärte er. »Wunderschön, nicht wahr?« Einem Impuls folgend, zog er das Hemd über den Kopf und stand jetzt mit bloßem Oberkörper auf der Mauer. »Hier. Ich schenke es dir.«
Niobe kicherte, dann zog sie ihr eigenes Hemd aus verwaschener grüner Wolle aus. Sieben starrte auf ihre vollen Brüste und sah, daß die Brustwarzen sich aufgerichtet hatten. Erregung durchflutete ihn von neuem. Er streckte die Hand aus, um sie zu liebkosen. Niobe sprang zurück und drückte das Seidenhemd an sich. »Nein«, wehrte sie ab, »erst müssen wir reden.«
»Reden? Worüber möchtest du reden?«
»Warum keine Frau für dich? Dein Freund hat eine Frau. Und du bist alt.«
»Alt? Vierunddreißig ist nicht alt. Ich stehe in der Blüte meines Lebens.«
»Oben auf dem Kopf hast du eine kahle Stelle. Ich habe sie gesehen.«
Sieben griff hastig nach seinem blonden Schopf und fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. »Kahle Stelle? Das kann nicht sein.«
Sie lachte auf. »Du bist ein Pfau«, sagte sie. »Schlimmer als eine Frau.«
»Mein Großvater hatte bis zu seinem Tod mit neunzig noch volles Haar. Glatzen sind in unserer Familie nicht üblich.«
Niobe schlüpfte in das blaue Hemd, dann nahm sie Siebens Arm und zog seine Hand aus seinen Haaren.
»Also warum keine Frau?«
»Das mit den Haaren war ein Scherz, ja?«
»Nein. Warum keine Frau?«
»Eine schwierige Frage.« Er zuckte die Achseln. »Ich habe viele schöne Frauen gekannt aber keine, mit der ich mein Leben verbringen möchte. Ich meine, ich mag Äpfel, aber ich möchte nicht dauernd davon leben.«
»Was sind Äpfel?«
»Früchte. Wie … Feigen.«
»Gut für die Därme«, sagte sie.
»Richtig. Aber lassen wir das mal, ja? Ich wollte sagen, daß ich die Gesellschaft vieler Frauen schätze. Ich langweile mich schnell.«
»Du bist kein starker Mann«, stellte sie fest. In ihrer Stimme schwang Trauer mit. »Du bist ein verängstigter Mann. Viele Frauen ist leicht. Kindermachen ist leicht Mit ihnen zu leben, sie aufzuziehen, das ist hart. Zusehen, wie Kinder sterben … das ist hart. Ich hatte zwei Männer. Beide starben. Beides gute Männer. Stark. Mein dritter wird auch stark sein. Viele Kinder, damit ein paar überleben.«
Sieben lächelte schief. »Ich neige zu der Überzeugung, daß das Leben noch mehr bietet als starke Kinder zu machen. Ich lebe für das Vergnügen, für plötzliche Freudenausbrüche. Für Überraschungen. Es gibt genug Leute, die Kinder machen und ihr langweiliges Leben in der Härte der Wüste oder der grünen Pracht der Berge fristen. Der Welt werden meine Kinder nicht fehlen.«
Sie dachte über seine Worte nach. »Mein Volk kam mit Oshikai über die hohen Berge. Sie machten Kinder, die stolz und stark wurden. Sie spendeten dem Land ihr Blut, und das Land ernährte die Jungen. Tausend Jahre lang. Jetzt gibt es mich. Ich schulde es meinen Vorfahren, dem Land Leben zu bringen, damit es in tausend Jahren Menschen gibt, mit dem Blut von Niobe und ihren Vorfahren. Du bist ein guter Liebhaber, Dichter. Du bringst mir viel Freudenzittern mit deinem Liebemachen. Aber Freudenzittern ist leicht, das kann
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