Die Drenai-Saga 7 - Die Augen von Alchazzar
wie auch immer, er kann uns nicht helfen. Kannst du weiter?«
»Ich werde Shul-sen finden«, sagte Oshikai stur. »Nichts kann mich aufhalten.«
Druss sah sich in der schwarzen Höhle um. Gewaltige Stalagmiten ragten zu der hohen, gewölbten Decke auf, wo sie kolossalen Stalaktiten begegneten – wie zwei Reihen riesiger Fangzähne in einem ungeheuren Maul. Eins der überlebenden Fledermauswesen war noch immer zu sehen. Es hockte auf einem Sims hoch über ihnen. Druss starrte in die bösartigen roten Augen. Die Leichname seiner Kameraden lagen auf dem Höhlenboden, die grauen Flügel ausgestreckt und gebrochen. Der Überlebende machte keine Anstalten, erneut anzugreifen. Die Reise hierher war lang und voller Schrecken gewesen, durch eine Landschaft, wie man sie in der Welt des Fleisches nirgends fand. Druss war schon früher durch die Leere gewandert, um Rowena von den Toten zurückzuholen. Aber damals war er über die Straße der Seelen gewandert, ein reiner Lustgarten, verglichen mit dieser Reise. Das Land gehorchte keinem Naturgesetz, das Druss kannte. Es veränderte sich endlos unter einem schiefergrauen Himmel, schroffe Klippen erhoben sich plötzlich aus einer öden Ebene und ließen hausgroße Felsbrocken vom Himmel niederregnen. Abgründe tauchten auf, als ob ein unsichtbarer Pflug die tote Erde aufriß. Schwarze, verkrümmte Bäume wuchsen sich zu Wäldern aus, mit Zweigen, die wie Klauen nach dem Fleisch der Reisenden griffen. Vor einiger Zeit – es konnten Tage oder Stunden sein – waren sie in eine Schlucht hinuntergestiegen, deren Boden bedeckt war mit etwas, das wie Helme aus verrostetem Eisen aussah. Blitze erhellten ständig den Himmel und warfen grauenhafte Schatten. Talisman hatte die Führung, als die Helme sich zu bewegen begannen. Die Erde tat sich auf, und längst begrabene Krieger tauchten aus der schwarzen Erde auf. Die Haut in ihren Gesichtern war verwest, Maden krochen durch das darunterliegende Fleisch. Geräuschlos rückten sie vor. Talisman hatte den ersten geköpft, aber von dem zweiten eine tiefe Wunde einstecken müssen. Druss und Oshikai griffen an, ihre Äxte drangen in verwestes Fleisch.
Der Kampf war lang und schwer. Shaoshad hatte explodierende Feuerkugeln in die gräßlichen Reihen geworfen, und die Luft stank nach verbranntem Fleisch. Schließlich standen Druss und Oshikai vor einem Berg von Leichnamen. Von Talisman keine Spur.
Auf der anderen Seite der Schlucht hatten sie einen Tunnel betreten, der in das Herz des höchsten Berges führte, den Druss je gesehen hatte. In einer Höhle tief innen hatten sie einen wilden Angriff der dämonischen Fledermäuse abgewehrt. »Sag mir«, wandte sich Druss an Shaoshad, »daß es keine weiteren Wächter mehr gibt. Das würde mir sehr gefallen.«
»Noch viele, Axtkämpfer. Aber du weißt doch, wie es heißt«, setzte er mit einem boshaften Lächeln hinzu, »man schätzt nur, wofür man hart arbeiten muß, nicht wahr?«
»Was haben wir zu erwarten?« fragte Oshikai.
»Der Große Bär bewacht die Brücke. Was danach kommt, weiß ich nicht. Aber einer wird auf jeden Fall noch übrig sein: Chakata. Er war es, der Shul-sen auf äußerst schändliche Art ermordete. Er ist hier … in der einen oder anderen Gestalt.«
»Dann gehört er mir«, sagte Oshikai. »Hörst du, Druss? Er gehört mir!«
Druss sah die stämmige Gestalt in der verbeulten goldenen Rüstung an. »Nichts dagegen, Freund.«
Oshikai lachte leise und setzte sich neben Druss. »Bei den Göttern von Stein und Wasser, Druss, du bist ein Mann, den ich gerne meinen Bruder nennen würde. Ich wünschte, ich hätte dich im Leben gekannt. Wir hätten ein Dutzend Flaschen Wein geleert und die ganze Nacht mit unseren Taten geprahlt.«
»Das mit dem Wein klingt gut«, sagte Druss, »aber ich war nie gut im Prahlen.«
»Das muß man erst lernen«, gab Oshikai zu. »Ich fand immer, eine Geschichte klingt besser, wenn man den Feind mit zehn multipliziert. Es sei denn natürlich, es wäre allgemein bekannt, daß es sich nur um, sagen wir, drei Feinde handelte. Dann werden sie eben zu Riesen.«
»Ich habe einen Freund, der sich darauf sehr gut versteht«, sagte Druss.
»Ist er ein guter Krieger?«
Druss sah Oshikai in die violetten Augen. »Nein, ein Dichter.«
»Ah! Ich hatte immer einen Dichter bei mir, der über meine Siege berichtete. Ich bin selbst auch kein schlechter Aufschneider, aber wenn ich seinen Liedern über meine Taten lauschte, schämte ich mich beinahe. Wo ich
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