Die Drenai-Saga 7 - Die Augen von Alchazzar
nehmen.«
»Und meine Pflicht? Was ist mit dem Schicksal der Nadir?«
Gorkai lächelte. »Du bist ein großer Mann, Talisman, aber du denkst diese Sache nicht richtig durch. Wir werden hier nicht überleben, wir werden alle sterben. Wenn du sie also heiratest, wird sie ohnehin in wenigen Tagen Witwe sein. Nosta Khan sagt, er kann sie hier fortschaffen. Gut. Dann wird der Einiger deine Witwe heiraten. Wird sich das Schicksal dadurch wenden?«
»Und wenn wir gewinnen?«
»Du meinst, was passiert, wenn das Hündchen den Löwen frißt?« Gorkai zuckte die Achseln. »Mein Standpunkt ist ganz einfach, Talisman. Ich folge dir. Wenn der Einiger meine Loyalität will, dann soll er herkommen und mit uns kämpfen! Vergangene Nacht hast du Oshikai und Shul-sen vereint. Sieh dich um. Hier sind Männer von fünf Stämmen. Du hast sie vereint – für mich hast du genug von einem Einiger.«
»Ich bin nicht der Mann der Prophezeiung.«
»Das ist mir egal. Du bist der Mann, der
hier
ist. Ich bin älter als du, Junge, und ich habe viele Fehler gemacht. Du machst jetzt einen, was Zhusai anbelangt. Wahre Liebe ist selten. Nimm sie, wenn du sie findest. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.«
Druss saß friedlich auf dem Wehrgang und beobachtete die Verteidiger, die ihre Arbeiten an den Mauern fortsetzten und Steine herbeischleppten, um sie während des Kampfes auf vorrückende Fußsoldaten hinunterzuschleudern. Jetzt waren es knapp zweihundert kampffähige Männer, in der Mehrzahl Flüchtlinge der Krummhörner. Nuang Xuan hatte seine Leute nach Osten geschickt, aber ein paar Frauen, darunter Niobe, waren zurückgeblieben. Der alte Mann winkte Druss zu, dann stieg er die zerborstenen Stufen zum Wehrgang hinauf. Er atmete keuchend, als er oben ankam. »Ein schöner Tag, Axtkämpfer«, sagte er, nach Luft ringend.
»Ja«, stimmte Druss zu.
»Ist es jetzt ein gutes Fort, ja?«
»Ein gutes Fort mit einem alten Tor«, antwortete Druss. »Das ist der schwache Punkt.«
»Genau meine Meinung«, sagte Nuang mit ausdrucksloser Miene. »Talisman hat angeordnet, daß ich mit den Verteidigern an dieser Stelle stehe. Wenn das Tor nachgibt, sollen wir die Lücke mit unseren Körpern füllen.« Er lächelte gezwungen. »Lange her, daß ich solche Angst hatte. Aber es ist ein gutes Gefühl.«
Druss nickte. »Wenn das Tor bricht, Alter, findest du mich an deiner Seite.«
»Ha! Dann wird es viele Tote geben.« Nuangs Miene wurde weich. »Du wirst wieder einmal gegen dein eigenes Volk kämpfen. Was empfindest du dabei?«
Druss zuckte die Achseln. »Es ist nicht mein Volk, und ich jage sie nicht. Sie kommen, um gegen mich zu kämpfen. Wenn sie sterben, geht das auf ihre eigene Kappe.«
»Du bist ein harter Mann, Druss. Vielleicht hast du Nadirblut.«
»Vielleicht.« Nuang sah unten seinen Neffen Meng und rief ihn an. Ohne einen Abschiedsgruß schlenderte der alte Mann die Stufen wieder hinunter. Druss warf einen Blick auf die Berge im Westen. Der Feind würde bald hier sein. Er dachte an Rowena, auf ihrem Hof, an die Tage der Arbeit mit den Herden, die stillen Nächte in ihrem geräumigen Holzhaus. Wie kommt es, überlegte er, daß ich mich nach ihrer Gesellschaft sehne, wenn ich fort von ihr bin, und daß ich mich nach einem Ruf zu den Waffen sehne, wenn ich bei ihr bin? Seine Gedanken wanderten zurück zu seiner Kindheit, als er mit seinem Vater umherzog und versuchte, dem schändlichen Ruf von Bardan dem Schlächter zu entkommen. Druss blickte hinunter auf Snaga, die an der Mauer lehnte. Die schreckliche Waffe hatte seinem Großvater Bardan gehört. Damals war sie von einem Dämon besessen und hatte Bardan in einen wütenden Killer, einen Schlächter, verwandelt. Auch Druss war davon nicht unberührt geblieben. Bin ich deshalb, was ich bin? überlegte er. Obwohl der Dämon schon längst ausgetrieben war, hatte seine Bösartigkeit in den langen Jahren seiner Suche nach Rowena auf ihn eingewirkt.
Da er normalerweise nicht so in sich gekehrt war, fand Druss seine Stimmung niederdrückend. Er war nicht in das Land der Gothir gekommen, um in den Krieg zu ziehen, sondern um an den Spielen teilzunehmen. Jetzt wartete er ohne eigenes Verschulden auf eine mächtige Armee und versuchte verzweifelt, zwei heilende Juwelen zu finden, die Klay wieder gesund machen sollten.
»Du siehst wütend aus, altes Roß«, sagte Sieben und setzte sich neben ihn. Druss sah seinen Freund an. Der Dichter trug ein hellblaues Hemd mit Knöpfen aus poliertem Bein.
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