Die Drenai-Saga 7 - Die Augen von Alchazzar
klug. Er weiß, daß Schreckliches auf sie zukommt, und er erfüllt sie mit Stolz gleich zu Beginn. Jetzt werden sie wie Teufel für ihn kämpfen.«
»Ich wußte gar nicht, daß du Nadir verstehst?«
»Tu ich auch nicht … aber du brauchst kein Sprachexperte zu sein, um zu verstehen, was da unten vor sich geht. Er hat Lin-tse ausgeschickt, um dem Feind eine Wunde zu schlagen. Um ihnen einen Sieg zu verschaffen. Wahrscheinlich hat er ihnen erzählt, sie seien alle Helden und daß sie gemeinsam jeder Macht widerstehen könnten. Irgendwas in der Art.«
»Und, können sie?«
»Unmöglich zu sagen, Dichter. Nicht, ehe es die ersten Toten gibt. Eine kämpfende Truppe ist wie eine Schwertklinge. Du kannst sie erst wirklich prüfen, wenn sie durch Feuer gegangen ist.«
»Ja, ja, ja«, sagte Sieben gereizt, »aber abgesehen von diesen kriegerischen Analogien, was hast du für ein Gefühl? Du kennst die Männer. Ich traue deinem Urteil.«
»Ich kenne diese Männer nicht. Oh, sie sind zweifellos wilde Kämpfer, keine Frage. Aber sie haben keine Disziplin – und sie sind abergläubisch. Sie haben keine Erfolgsgeschichte, auf die sie sich berufen können, die ihnen in dunklen Stunden über die Runden hilft. Sie haben die Gothir noch nie besiegt. Alles hängt vom ersten Tag der Schlacht ab. Frag mich noch mal, wenn wir den überlebt haben!«
»Himmel, bist du düster heute, mein Freund«, meinte Sieben. »Was ist los?«
»Das ist nicht mein Krieg, Dichter. Ich
fühle
nichts dabei, verstehst du? Ich habe an Oshikais Seite gekämpft. Ich
weiß,
daß es ihm verdammt gleichgültig ist, was mit seinen Gebeinen passiert. Es ist eine Schlacht um nichts, und nichts wird dadurch erreicht, ob wir gewinnen oder verlieren.«
»Da irrst du dich vielleicht, altes Roß. Dieses ganze Gerede von einem Einiger ist für diese Menschen wichtig. Du sagst, sie hätten keine Erfolgsgeschichte, auf die sie sich stützen können – nun, vielleicht wird das hier für sie die erste.« Sieben schwang sich auf die Mauer und betrachtete seinen Freund. »Aber das weißt du auch alles. Es steckt noch mehr dahinter, nicht wahr, Druss? Tiefer drinnen?«
Druss lächelte ihn schief an, dann strich er sich mit seiner großen Hand über den schwarzen Bart. »Ja. Ich mag sie nicht, Dichter. So einfach ist das. Ich fühle keine Nähe zu diesen Stammesleuten. Ich weiß nicht, wie sie denken oder was sie empfinden. Nur eins ist verdammt gewiß, sie denken nicht wie wir.«
»Du magst Nuang und Talisman. Sie sind auch Nadir«, meinte Sieben.
»Ja, ich weiß. Ich kann es auch nicht erklären.«
Sieben lachte. »Das ist nicht so schwer, Druss. Du bist geboren und aufgewachsen als Drenai – dem größten Volk der Erde. Das haben sie uns jedenfalls erzählt. Zivilisierte Menschen in einer Welt von Wilden. Du hattest keine Probleme, an der Seite der Ventrier zu kämpfen, aber sie sind uns auch ähnlich, mit runden Augen und hochgewachsen. Wir haben eine gemeinsame Mythologie. Aber die Nadir stammen von den Chiatze ab, und mit denen haben wir nichts Offenkundiges gemeinsam. Hunde und Katzen, Druss. Oder Wölfe und Löwen, wenn dir das lieber ist. Aber ich glaube, du irrst, wenn du meinst, sie denken und fühlen nicht wie wir. Sie sehen die Dinge nur anders, das ist alles. Eine andere Kulturbasis.«
»Ich bin doch kein Fanatiker«, sagte Druss abwehrend.
Sieben lachte. »Aber natürlich, das ist dir anerzogen. Aber du bist ein guter Mann, Druss, und es beeinflußt nicht im Geringsten, wie du dich verhältst. Die Lehren der Drenai mögen tief in deinem Kopf sitzen, aber du hast ein gutes Herz. Und das wird dich immer leiten.«
Druss entspannte sich. »Ich hoffe, du hast recht«, sagte er. »Mein Großvater war ein mörderischer Schlächter, seine Greueltaten verfolgen mich immer noch. Ich möchte mir nie solche schrecklichen Taten zuschulden kommen lassen. Der Ventrische Krieg war gerecht, das glaube ich fest, und er bedeutete etwas. Das Volk hat jetzt Gorben als Führer, und er ist einer der größten Männer, die ich je kennengelernt habe.«
»Vielleicht«, sagte Sieben zweifelnd. »Die Geschichte wird ihn besser beurteilen können als du oder ich. Aber wenn du dir um diese … Scheußlichkeiten hier Sorgen machst, kann ich dich beruhigen. Dies hier ist ein Schrein, und hier liegen die Gebeine des größten Helden, den die Nadir je hatten. Dieser Ort bedeutet all ihren Stämmen etwas. Die Männer, die hier anrücken, dienen einem wahnsinnigen Kaiser, und sie
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