Die Drenai-Saga 7 - Die Augen von Alchazzar
Gebeine, sobald die Pfeile fliegen und kalter Stahl sich in ihr Fleisch bohrt? Nicht die Spur.«
Premian sog tief die Luft ein. »Okai schon. Er ist kein Feigling. Er ist ein ausgebildeter Taktiker – der beste, den wir in Bodacas jemals hatten.«
Gargan sprang auf. »Untersteh dich, ihn zu loben!« brüllte er. »Der Mann hat meinen Sohn ermordet!«
»Ich teilte deinen Kummer über den Verlust, General. Argo war mein Freund. Aber diese Übeltat ändert nichts an Okais Fähigkeiten. Er wird diese Männer zusammengeschweißt haben, und er versteht etwas von Disziplin und Kampfgeist. Sie werden nicht davonlaufen.«
»Dann sollen sie eben ausharren und sterben«, rief Gargan. »Ich habe noch nie zehn Nadir getroffen, die zusammen einen einzigen Schwertkämpfer von uns besiegen konnten. Wie viele Männer haben sie? Zweihundert. Bei Einbruch der Dämmerung stürmen doppelt so viele Fußsoldaten die Mauern. Ob sie nun ausharren oder davonlaufen, spielt keine Rolle.«
»Sie haben auch diesen Druss«, sagte Premian.
»Was soll das heißen? Ist Druss etwa ein Halbgott? Wird er Berge auf uns schleudern?«
»Nein, General«, sagte Premian ruhig, »aber er ist eine Legende bei seinem eigenen Volk. Und wir wissen aus leidvoller Erfahrung, daß er kämpfen kann. Er hat sieben unserer Lanzenreiter erschlagen, als sie das Lager der Abtrünnigen angriffen. Er ist ein Krieger, den man fürchten muß, und die Männer reden schon von ihm. Niemand möchte gern gegen diese Axt antreten.«
Gargan sah den jungen Mann scharf an. »Was schlägst du vor, Premian? Sollen wir nach Hause gehen?«
»Nein, General. Wir haben unsere Befehle, die wir ausführen müssen. Ich sage nur, daß wir sie mit etwas mehr Respekt behandeln sollten. In einer Stunde werden unsere Fußsoldaten die Mauern erstürmen. Wenn sie – zu Unrecht – glauben, daß eine Verteidigung praktisch nicht stattfindet, dann werden sie eine furchtbare Überraschung erleben. Wir könnten noch vor Einbruch der Dunkelheit hundert Männer verlieren. Sie sind jetzt schon müde und durstig, es wäre dann ein schwerer Schlag gegen ihren Kampfgeist.«
»Dem möchte ich widersprechen, General«, sagte Marlham. »Wenn wir ihnen sagen, daß der Angriff mörderisch wird, dann riskieren wir, daß wir ihnen die Angst vor einer Niederlage einimpfen. Solche Ängste können sich als selbsterfüllende Prophezeiungen erweisen.«
»Das meinte ich nicht«, beharrte Premian. »Wir sollten ihnen erklären, daß die Verteidiger bereit sind, ihr Leben zu lassen, und daß der Kampf nicht leicht sein wird.
Dann
müssen wir ihnen einschärfen, daß sie Gothirsoldaten sind und daß niemand gegen sie bestehen kann.«
Gargan ging zum Bett zurück, setzte sich und dachte ein paar Minuten lang nach. Schließlich blickte er auf. »Ich denke immer noch, daß sie davonlaufen werden. Ich wäre jedoch ein törichter General, wenn ich nicht damit rechnete, daß ich mich auch einmal irren könnte. Tu es, Premian. Warne sie und hebe ihren Kampfgeist.«
»Jawohl, General. Danke.«
»Wenn die Stunde um ist, laß den Gefangenen frei. Schick ihn zu den Mauern. Wenn er nahe genug ist, daß die Verteidiger ihn sehen können, laß drei berittene Bogenschützen ihn niederschießen.«
Premian salutierte und setzte den Helm wieder auf.
»Kein Wort der Mißbilligung, Premian?« fragte Gargan.
»Nein, General. Ich habe nichts für solche Dinge übrig, aber sein Anblick wird die Nerven der Verteidiger angreifen. Daran gibt es keinen Zweifel.«
»Gut. Du lernst allmählich.«
Sieben sah zu der Gothirarmee hinüber und spürte den kalten Griff der Angst im Bauch. »Ich glaube, ich warte in der Krankenstation, altes Roß«, erklärte er Druss.
Der Axtkämpfer nickte. »Das ist wahrscheinlich das beste«, sagte er grimmig. »Du wirst dort bald reichlich zu tun haben.«
Auf wackligen Beinen verließ Sieben die Wehrgänge. Nuang Xuan ging zu Druss. »Ich bleibe an deiner Seite«, sagte er. Er war blaß und zwinkerte unablässig mit den Augen.
Etwa zwanzig Nadir standen schweigend in der Nähe. »Von welchem Stamm bist du?« fragte Druss den nächsten, einen jungen Mann mit nervösen Augen.
»Einsame Wölfe«, antwortete er und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.
»Gut«, sagte Druss gutmütig. Seine Stimme drang bis zu den anderen Männern auf der Westmauer. »Dieser alte Mann hier neben mir hat geschworen, hundert Gothirsoldaten zu töten. Ich soll mitzählen. Ich möchte nicht, daß ihr Einsamen Wölfe
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