Die Drenai-Saga 7 - Die Augen von Alchazzar
im eisernen Griff des Fremden, der ihn an Hals und Lenden hochgehoben hatte und ihn hoch über den Kopf hielt. Talisman drehte sich um und sah die vier verbleibenden Angreifer vom anderen Ende der Gasse kommen. Der Fremde lief auf sie zu, grunzte vor Anstrengung und schleuderte ihnen sein unglückliches Opfer entgegen. Drei gingen zu Boden – kamen aber wieder auf die Füße. Der Fremde trat vor.
»Ich glaube, das reicht jetzt, Burschen«, sagte er mit kalter Stimme. »Bislang habe ich noch niemanden in Gulgothir getötet. Also sammelt eure Freunde ein und kümmert euch um eure Angelegenheiten.«
Einer der Männer kam vorsichtig näher und musterte den Fremden. »Du bist der Drenai-Kämpfer, nicht wahr? Druss?«
»Genau. Und jetzt macht euch davon, Freunde. Der Spaß ist vorbei – oder wollt ihr noch mehr?«
»Klay wird dich im Finale zu Brei schlagen, du Bastard!« Ohne ein weiteres Wort steckte der Mann sein Messer ein und wandte sich an seine Kameraden. Gemeinsam halfen sie den Verletzten aus der Gasse. Den Anführer mußten sie tragen, da er noch immer bewußtlos war. Der Fremde wandte sich an Talisman. »Ein häßlicher Ort«, sagte er mit einem breiten Grinsen, »aber er hat auch seine vergnüglichen Seiten. Trinkst du einen mit mir?«
»Du kämpfst gut«, sagte Talisman. Er sah sich um und konnte erkennen, wie sich die Angreifer am Eingang der Gasse zusammenscharten. »Ja, ich werde mit dir trinken, Drenai. Aber nicht hier. Ich habe das Gefühl, sie werden miteinander reden, bis ihr Mut wiederkehrt – dann werden sie wieder angreifen.«
»Nun, dann komm mit mir, mein Freund. Die Gothir haben uns Unterkunft gegeben – ich glaube, nicht weit von hier – und dort steht noch ein Krug lentrischer Roter, der mich schon den ganzen Abend ruft.« Zusammen gingen sie hinaus auf die Straße, die zum Kolosseum führte. Die Angreifer folgten ihnen nicht.
Talisman war noch nie in einem so luxuriösen Haus gewesen, und seine dunklen, mandelförmigen Augen saugten alles in sich auf – den langen, eichengetäfelten Treppenaufgang, die Wandbehänge aus Samt, die prächtigen Polsterstühle, geschnitzt und vergoldet, die Teppiche aus Chiatze-Seide. Der große Krieger namens Druss führte ihn die Treppe hinauf in einen langen Flur. Auf beiden Seiten befanden sich im Abstand von je fünfzehn Schritten Türen. Der Fremde blieb vor einer stehen und drückte eine bronzene Klinke. Die Tür glitt lautlos auf und gab den Blick auf ein reich möbliertes Zimmer frei. Als Talisman hineinlugte, sah er als erstes einen mannshohen rechteckigen Spiegel. Er blinzelte, denn er hatte zwar schon sein Spiegelbild gesehen, aber noch nie in ganzer Länge und noch nie so deutlich. Die gestohlene schwarze Tunika und der Umhang waren von der Reise verschmutzt und staubig, seine schwarzen Augen blickten mit unverhüllter Müdigkeit. Das Gesicht, das er sah, wirkte trotz seiner Bartlosigkeit weit älter als seine achtzehn Jahre, der Mund bildete eine entschlossene, feste Linie. Die Verantwortung lastete auf ihm wie ein Geier und fraß seine Jugend auf.
Er trat näher an den Spiegel und berührte ihn. Es sah aus wie Glas. Aber Glas war durchsichtig – wie konnte es dann so wunderbar spiegeln? Er untersuchte den Spiegel näher und fand an der rechten unteren Ecke etwas, das aussah wie ein Kratzer. Er ging in die Knie, betrachtete ihn und stellte fest, daß er durch den Kratzer den Teppich hinter dem Spiegel sehen konnte. »Irgendwie bemalen sie das Glas mit Silber«, sagte Druss. »Ich weiß auch nicht, wie das funktioniert.«
Talisman wandte sich von dem Spiegel ab und wanderte durch das Zimmer. Es gab sechs Sofas, die mit glänzendem Leder bezogen waren, ein paar Stühle und einen langen, niedrigen Tisch, auf dem ein Krug Wein und vier silberne Becher standen. Der Raum war so groß wie das Zelt seines Vaters – und in jenem lebten vierzehn Menschen! Doppeltüren auf der anderen Seite führten auf einen großen Balkon, der auf das Kolosseum hinaussah. Talisman tappte über die dicken Teppiche auf den Balkon. Die Große Arena war von hohen Messingpfosten umgeben, auf denen brennende Lampen standen, die die untere Hälfte des Kolosseums in rötliches Licht tauchten. Es sah fast so aus, als stünde das gewaltige Gebäude in Flammen. Talisman wünschte, es wäre so – und mit ihm diese ganze Stadt!
»Hübsch, nicht?« fragte Druss.
»Du kämpfst dort?«
»Nur noch einmal. Gegen Klay, den Champion der Gothir. Dann gehe ich zurück nach
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