Die Drenai-Saga 7 - Die Augen von Alchazzar
Mauer auf. Talisman sprang hoch, krallte die Finger in die Mauerkrone und zog sich hoch. Dahinter lag ein mondbeschienener Garten. Er ließ sich ins Gras fallen, rannte auf eine zweite Mauer zu und erkletterte sie ebenfalls. Auf der anderen Seite lag eine schmale Straße. Er landete leichtfüßig und rannte weiter, seine Wut wurde größer. Es beschämte ihn, vor diesen rundäugigen Südländern davonzulaufen.
Er kam an eine Einmündung und bog nach Norden ab. Er hörte keine Verfolger, aber er entspannte sich nicht. Er hatte keine Ahnung, wo er war, diese ganzen häßlichen Häuser sahen für ihn gleich aus. Nosta Khan hatte ihm aufgetragen, das Haus von Chorin-Tsu, dem Einbalsamierer, aufzusuchen, das in der Straße der Weber im nordwestlichen Viertel der Stadt lag. Aber wo bin ich jetzt? fragte sich der Stammeskrieger.
Ein großer Mann trat aus den Schatten, ein rostfleckiges Messer in der rechten Hand. »Hab’ ich dich, du kleiner Nadirbastard!« sagte er. Talisman blickte in die grausamen Augen des Mannes, und sein Zorn wuchs, kalt und alles verschlingend.
»Es ist der Tod, den du gleich haben wirst!«
Die Messerhand erhoben, stürzte sich der Mann auf ihn und stieß nach Talismans Hals. Aber Talisman wich nach rechts aus, sein linker Unterarm schoß hoch und wehrte die Hand des Angreifers ab. Mit derselben fließenden Bewegung kam sein rechter Arm hinter der Schulter des Mannes hoch, mit einem heftigen Ruck warf er sein ganzes Gewicht auf den Messerarm – der am Ellbogen brach. Der Mann schrie auf und ließ das Messer fallen. Talisman ließ ihn los, schnappte sich die Klinge und trieb sie bis zum Griff zwischen die Rippen des anderen. Talisman packte sein Opfer bei den fettigen Haaren und blickte in das entsetzte Gesicht. »Mögest du in allen Höllen schmoren«, flüsterte der Nadir und drehte das Messer. Der tödlich Verwundete öffnete den Mund für einen letzten Schmerzensschrei – aber er starb, bevor er Luft holen konnte.
Talisman ließ den Toten los, wischte das Messer an der schmutzigen Tunika des Mannes ab und lief weiter in die Dunkelheit. Hier war alles still. Auf beiden Seiten erhoben sich Mauern, durchbrochen von Fenstern, die mit Läden verschlossen waren. Talisman kam auf eine etwas breitere Gasse, nicht mehr als fünfzig Meter lang, und sah aus den Fenstern einer Taverne Licht schimmern. Er verbarg das Messer unter seinem Umhang und ging weiter. Die Tavernentür ging auf, und ein großer Mann mit eckig gestutztem Bart kam heraus. Talisman ging auf ihn zu.
»Bitte um Verzeihung, Herr«, sagte der Nadir, und die Worte schmeckten bitter, »aber könntest du mir sagen, wie ich zur Webergasse komme?«
»Mein Freund«, sagte der Mann und sank betrunken auf eine Eichenbank, »im Moment weiß ich nicht mal den Weg nach Hause. Ich bin selbst hier fremd und habe mich in diesem Irrgarten von einer Stadt heute Abend schon ein paarmal verlaufen. Himmel, ich weiß nicht, wie jemand freiwillig an einem Ort wie diesem leben kann! Weißt du es?«
Talisman wandte sich ab. In diesem Augenblick kamen seine Verfolger in Sicht, fünf an einem Ende der Gasse und vier am anderen. »Wir reißen dir das Herz raus!« brüllte der Anführer, ein dicker, kahlköpfiger Raufbold. Talisman zog sein Messer, als die ersten fünf Angreifer auf ihn zustürmten. Da bewegte sich unerwartet etwas links von ihm! Er warf einen Blick zur Seite. Der betrunkene Fremde hatte sich erhoben und versuchte anscheinend, die Eichenbank zu bewegen. Nein, nicht zu bewegen, erkannte Talisman, sondern sie hochzuheben. Es war ein so widersinniger und bizarrer Augenblick, daß Talisman sich gewaltsam von dem Anblick losreißen mußte, um sich seinen Angreifern zu stellen. Sie waren jetzt nahe herangekommen – drei waren mit Messern bewaffnet, zwei mit Bleiknüppeln. Plötzlich schoß die schwere Eichenbank wie ein Speer an Talisman vorbei. Sie traf den Bandenführer voll ins Gesicht, zertrümmerte seine Zähne und holte ihn von den Füßen, dann drehte sie sich, traf die anderen und schickte zwei zu Boden. Die beiden übrigen sprangen über die am Boden liegenden und stürzten sich auf ihn. Talisman begegnete dem ersten mit der Klinge, dann hämmerte er dem Mann seinen Ellbogen ans Kinn. Der Angreifer fiel mit dem Gesicht voran. Während er aufzustehen versuchte, trat Talisman ihn zweimal ins Gesicht, beim zweiten Tritt stöhnte der Mann auf und sank bewußtlos zu Boden.
Talisman führ herum – doch der letzte Angreifer zappelte vergebens
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