Die Drenai-Saga 7 - Die Augen von Alchazzar
konnten.
Vielleicht auch für mich, dachte Druss. Vielleicht sterbe ich morgen.
Vielleicht auch nicht, entschied er. Und sank in einen traumlosen Schlaf …
Gargan ging zwischen den Verwundeten herum, sprach mit den Überlebenden und lobte sie für ihren Heldenmut. Als er wieder in seinem Zelt war, ließ er Premian rufen. »Ich höre, daß die Nadir uns noch immer den Zugang zum Wasser versperren«, sagte er. »Wie viele verteidigen das Wasserloch?«
»Schwer zu sagen, General. Der Pfad zum Tümpel ist schmal, und unsere Männer werden von Kriegern angegriffen, die sich zwischen den Felsen verbergen. Ich würde sagen, nicht mehr als dreißig. Sie werden angeführt von einem Irren, der einen weißen Schal um den Kopf trägt. Er sprang sieben Meter von einem Felsen herunter und landete so auf dem Pferd des Offiziers, daß dessen Rücken brach. Dann tötete er den Reiter, verwundete einen weiteren und flitzte zurück zwischen die Felsen.«
»Wer war der Offizier?«
»Mersham, General. Frisch befördert.«
»Ich kenne seine Familie. Guter Stall.« Gargan setzte sich auf seine Pritsche. Sein Gesicht war von den Anstrengungen gezeichnet, seine Lippen spröde. »Nimm hundert Mann und radiere sie aus. Unsere Wasservorräte sind fast aufgebraucht, und ohne Nachschub sind wir am Ende. Brich sofort auf, heute Abend noch.«
»Jawohl, General. Ich habe an der Biegung des ausgetrockneten Flusses im Osten graben lassen, und wir haben eine Sickerstelle freigelegt. Sie ist nicht groß, wird aber für ein paar Fässer reichen.«
»Gut«, sagte Gargan müde. Der General streckte sich auf dem Bett aus und schloß die Augen. Als Premian gerade gehen wollte, sagte er: »Sie haben meinen Sohn getötet. Sie haben ihm die Augen ausgestochen.«
»Ich weiß, General.«
»Wir greifen nicht vor Mitte des Vormittags an. Dann brauche ich dich zurück mit dem Wasser.«
»Jawohl, General.«
Sieben überquerte das Gelände und weckte Druss leise.
»Folge mir«, flüsterte er. Druss stand auf, und die beiden Männer stiegen die Stufen zu den Wehrgängen hinunter und gingen zum Schrein. Drinnen war es dunkel, und sie blieben einen Augenblick stehen, damit sich ihre Augen an das schwache Mondlicht gewöhnen konnten, das durch das einzige Fenster fiel. Die toten Nadir hatte man an der Nordwand aufgereiht, der Todesgeruch hing bereits schwer in der Luft. »Was machen wir hier?« flüsterte Druss.
»Ich will die Heilenden Steine«, sagte Sieben. »Keine Toten mehr unter meinen Händen.«
»Wir haben hier doch schon gesucht.«
»Ja, und ich glaube, wir haben sie auch schon gesehen. Heb den Deckel hoch.« Druss ging zu dem steinernen Sarg und schob den Deckel langsam beiseite, so daß Sieben seinen Arm hineinstecken konnte. Seine Finger berührten trockene Knochen und den Staub zerfallener Kleidungsstücke. Rasch bewegte er seine Hand aufwärts, bis er zum Schädel kam. Er schloß die Augen und konzentrierte sich. Dann suchte er unter dem gebrochenen Kiefer, bis seine Finger das kalte Metall von Oshikais
lon-tsia
berührten. Er zog es heraus und hielt es in das blasse Mondlicht.
»Jetzt hast du ein Paar«, sagte Druss. »Und?«
»Shaoshad kam her, um Oshikais Einwilligung zu erbitten, wiederbelebt zu werden. Oshikai lehnte ab, es sei denn, Shul-sen könnte bei ihm sein. Wie wollte er sie dann aber finden?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Druss, mühsam die Geduld bewahrend. »Ich verstehe nichts von Magie.«
»Hab Nachsicht mit mir, mein Freund, und sieh dir an, was ich habe. Sowohl Oshikai als auch Shul-sen trugen ein
lon-tsia.
Oshikais Grab wurde bereits geplündert, aber niemand fand das Medaillon. Warum nicht? Der blinde Priester sagte, daß auf Shul-sens
lon-tsia
ein Zauber des Verbergens lag. Man darf also ruhig vermuten, daß ein ähnlicher Spruch auf dem Oshikais lag. Ich glaube nun, daß Shaoshad den Zauber von diesem hier nahm«, er hielt das
lon-tsia
hoch. »Warum? Um ihm bei der Suche nach Shul-sen zu helfen. Talismans Diener, Gorkai, sagte mir, daß die
lon-tsias
der Reichen mit vielen Zaubern belegt waren. Ich glaube, daß Shaoshad irgendwie dieses Medaillon benutzt hat, um das andere zu finden. Kannst du mir folgen?«
»Nein, aber ich höre weiter.«, sagte Druss müde.
»Warum hatte er die Steine nicht bei sich, als er gefangen wurde?«
»Hör endlich auf, mir Fragen zu stellen, auf die es keine Antworten gibt!« fuhr Druss auf.
»Das war rein rhetorisch, Druss. Unterbrich mich nicht immer. Nach Gorkais Aussage
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