Die Drenai-Saga 7 - Die Augen von Alchazzar
kämpfst«, antwortete Shaoshad. »Alle Männer hier könnten sterben, und doch könntest du gewinnen. Oder alle könnten am Leben bleiben, und du könntest verlieren. Lebewohl, Dichter.«
Der Geist verschwand. Sieben schauderte. Dann steckte er die Hand in die Tasche und schloß sie um die Steine.
Als er ins Lazarett zurückkam, ging er lautlos durch die Reihen der Verwundeten. In der hinteren Ecke stöhnte ein Mann, und Sieben trat an seine Seite und kniete neben der Decke nieder, auf der er lag. Eine Laterne an der Wand flackerte auf, und in ihrem Licht betrachtete Sieben das eingefallene Gesicht des Mannes. Er hatte einen Stich in den Bauch abbekommen, und obwohl Sieben die äußeren Wundränder genäht hatte, hatte er innere Blutungen. Die Augen des Mannes waren fieberglänzend. Sieben legte sanft eine Hand auf die Verbände und schloß die Augen, um sich zu konzentrieren. Einen Moment lang geschah nichts, dann erfüllten leuchtende Farben seine Gedanken, und er sah die zerrissenen Muskeln, die zerfetzten Gedärme, die Blutansammlung in der Wunde. In diesem Augenblick kannte er jeden Muskel, jede Faser, die Verbindungen, die Blutbahnen, die Ursachen von Schmerzen und Unbehagen. Es war, als ob er in der Wunde schwämme. Blut floß aus einem tiefen Riß in einem gedrehten, purpurnen Zylinder … doch während Sieben ihn ansah, schloß der Riß sich und verheilte. Er bewegte sich weiter und verschloß weitere Schnittwunden, arbeitete sich von der Tiefe her nach oben vor und heilte die Wunde dabei. Schließlich erreichte er die äußere Naht, und hier hielt er inne. Es wäre klug, wenn der Mann beim Aufwachen die Spannung der Stiche spürte, dachte er. Falls eine Wunde restlos geheilt wäre, wäre das Geheimnis der Steine offenbart.
Der Krieger blinzelte. »Ich brauche lange, um zu sterben«, sagte er.
»Du wirst nicht sterben«, versprach Sieben. »Deine Wunde heilt, und du bist stark.«
»Sie haben mir die Eingeweide durchbohrt.«
»Schlaf jetzt. Morgen wirst du dich besser fühlen.«
»Du sagst die Wahrheit?«
»Ja. Die Wunde war nicht so tief, wie du glaubst. Sie verheilt gut. Schlaf jetzt.« Sieben berührte die Stirn des Mannes, und augenblicklich schlossen sich seine Augen, und der Kopf fiel zur Seite.
Sieben ging nacheinander zu jedem Verwundeten. Die meisten schliefen. Mit denen, die wach waren, sprach er leise und heilte sie. Schließlich kam er zu Nuang. Während er in den Verletzungen des alten Mannes schwamm, fühlte er sich zum Herzen hingezogen, und hier fand er einen Abschnitt, der so dünn war, daß er beinahe durchsichtig wirkte. Nuang hätte jederzeit sterben können, erkannte er, denn sein Herz hätte unter Belastung wie nasses Papier reißen können. Sieben konzentrierte sich auf dieses Gebiet und sah zu, wie es dicker wurde. Die Arterien waren verhärtet, die Innenwände zugesetzt und verengt. Er weitete sie und machte sie wieder geschmeidig.
Endlich zog er sich zurück und setzte sich. Er spürte keine Müdigkeit, eher Jubel und seltene Freude.
Niobe schlief in einer Ecke des Raumes. Er legte die Steine in einen Beutel und versteckte ihn hinter einem Wasserfaß. Dann ging er zu Niobe und legte sich neben sie, spürte ihre Wärme. Er zog eine Decke über sie< beide, beugte sich über sie und küßte sie auf die Wange. Sie stöhnte und drehte sich zu ihm. Dabei flüsterte sie einen Namen, der nicht der seine war. Sieben lächelte.
Sie wachte auf und stützte sich auf einen Ellbogen. »Warum lächelst du, Dichter?« fragte sie.
»Warum nicht? Es ist eine schöne Nacht.«
»Willst du Liebe machen?«
»Nein, aber ich würde gern kuscheln. Komm näher.«
»Du bist sehr warm«, sagte sie, schmiegte sich an ihn und legte einen Arm über seine Brust.
»Was wünschst du dir vom Leben?« flüsterte er.
»Wünschen? Was gibt es da zu wünschen? Außer einem guten Mann und kräftigen Kindern?«
»Und das ist alles?«
»Teppiche«, sagte sie, nachdem sie einen Moment überlegt hatte. »Gute Teppiche. Und ein eisernes Feuerbecken. Mein Onkel hatte so ein Feuerbecken aus Eisen. Es heizte das Zelt in kalten Nächten.«
»Was ist mit Ringen und Armreifen, Dingen aus Gold und Silber?«
»Ja, das auch«, gab sie zu. »Willst du sie mir schenken?«
»Ich glaube schon.« Er wandte den Kopf und küßte sie auf die Wange. »Es mag erstaunlich klingen, aber ich habe mich in dich verliebt. Ich möchte, daß du bei mir bist. Ich will dich mit in mein Land nehmen und dir ein eisernes
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