Die Drenai-Saga 7 - Die Augen von Alchazzar
Schnelligkeit vorschoß und das Messer nur Zentimeter vor Druss' Auge am Griff abfing.
»Ich sagte doch, Druss, Schnelligkeit ist alles«, sagte Klay.
Druss stieß langsam die Luft aus. »Davon verstehe ich nichts, mein Freund, aber du hast mir das Leben gerettet, und das vergesse ich dir nicht.«
Klay lachte leise. »Komm schon, mein Freund, ich muß was essen.« Er legte Druss einen Arm um die Schulter und wandte sich der Taverne zu. In diesem Augenblick schoß ein schwarzgefiederter Armbrustbolzen durch die Luft und drang dem Gothir-Kämpfer in den Rücken. Klay schrie auf und sackte gegen Druss. Der Axtkämpfer schwankte unter dem Gewicht, dann sah er den Bolzen in dem Rücken des Kämpfers stecken. Sanft legte er Klay auf die Erde. Er spähte in die Dunkelheit nach dem Angreifer und sah zwei Männer davonrennen. Einer trug eine Armbrust, und Druss hätte am liebsten die Verfolgung aufgenommen, aber er konnte den verwundeten Klay nicht allein lassen.
»Bleib still liegen – ich hole einen Arzt.«
»Was ist passiert, Druss? Warum liege ich hier?«
»Du bist von einem Bolzen getroffen worden. Bleib still liegen!«
»Ich kann meine Beine nicht bewegen, Druss …«
Das Verhörzimmer war kalt und feucht, übelriechendes Wasser hinterließ schleimige Spuren auf den schmutzigen Wänden. Zwei Bronzelaternen an einer Wand spendeten flackerndes Licht, aber keine Wärme. Chorin-Tsu saß an einem roh gezimmerten Tisch, auf dem alte und frische Blutflecken zu erkennen waren. Geduldig wartete er und sammelte seine Gedanken. Der kleine Chiatze sprach nicht mit dem Wächter, einem untersetzten Soldaten in schmieriger Ledertunika und zerrissenen Hosen, der mit verschränkten Armen an der Tür stand. Der Mann hatte ein brutales Gesicht und grausame Augen. Chorin-Tsu sah ihn nicht an, sondern schaute sich mit klinischer Gleichgültigkeit in dem Raum um. Trotzdem verweilten seine Gedanken bei dem Wächter. Ich habe viele häßliche gute Männer gekannt, dachte er, und ebenso einige gutaussehende böse Männer. Doch man brauchte diesen Wächter nur anzusehen, um seine Brutalität zu erkennen – als ob seine rauhe und bösartige Natur irgendwie nach außen getreten wäre und seine Züge modelliert hätte: eng beieinanderstehende Augen, in Fettwülste eingebettet, über einer breiten, pockennarbigen Nase und dicken, schlaffen Lippen.
Eine schwarze Ratte huschte durch den Raum, und der Wächter fuhr zusammen. Er trat nach ihr, verfehlte sie jedoch. Das Tier verschwand in einem Loch in einer Ecke. »Mistratten!« zischte der Wächter. Er war verlegen, daß er sich vor dem Gefangenen so hatte erschrecken lassen. »Du magst sie wohl. Gut! Du wirst schon bald mit ihnen leben. Dann laufen sie auf dir herum, beißen dich, überlassen dir ihre kleinen Flöhe, die dir im Dunkeln das Blut aussaugen.«
Chorin-Tsu ignorierte ihn.
Garen-Tsens Ankunft war unvermittelt, die Tür öffnete sich leise knarrend. Im Schein der Laterne schimmerte das Gesicht des Ministers krankhaft gelblich, und seine Augen wirkten unnatürlich strahlend. Chorin-Tsu sparte sich eine Begrüßung. Bei den Chiatze war es Sitte, sich in Anwesenheit eines Ministers zu erheben und zu verbeugen, aber auch das unterließ er. Stattdessen blieb er sitzen, seine Miene war ruhig und gleichgültig.
Der Minister entließ den Wächter und setzte sich dem kleinen Einbalsamierer gegenüber. »Ich bitte um Verzeihung für die ungastliche Umgebung«, sagte Garen-Tsen auf chiatze. »Es war zu deiner Sicherheit notwendig. Du hast wundervolle Arbeit bei der Königin geleistet. Sie war noch nie so strahlend schön.«
»Ich danke dir, Garen-Tsen«, antwortete Chorin-Tsu kühl. »Aber weshalb bin ich hier? Du hast mir versprochen, ich würde frei sein.«
»Und das wirst du auch, Landsmann. Aber zuerst müssen wir reden. Erzähl mir von deinem Interesse an Nadirlegenden.«
Chorin-Tsu starrte den schlanken Minister an und hielt dessen Blick fest. Jetzt war alles nur noch ein Spiel, mit festgelegtem Ausgang. Ich werde sterben, dachte er. Hier, an diesem kalten, elenden Ort. Er wollte seinen Haß auf das Ungeheuer ihm gegenüber herausschreien, toben, Widerstand leisten. Die Stärke seiner Gefühle erstaunte ihn, da sie gegen jede Lehre der Chiatze verstieß, aber sein Gesicht verriet keine Spur von seinem inneren Aufruhr. Er saß reglos, seine Miene war ernst. »Alle Legenden haben Tatsachen zur Grundlage, Garen-Tsen. Ich studiere die Geschichte, und das macht mir
Weitere Kostenlose Bücher