Die Drenai-Saga 7 - Die Augen von Alchazzar
mich deiner Weisheit, Gorkai.«
Sie hörten etwas hinter sich. Gorkai drehte sich um und sah Djung, der den Hang heraufkletterte. »Langsam!« zischte Gorkai. »Du wirbelst Staub auf.«
Djungs dickliches Gesicht verzog sich zu einer mürrischen Miene. »Man kann mich von nirgends her sehen«, sagte er. »Du machst dir Sorgen wie ein altes Weib.«
Gorkai drehte sich von dem jüngeren Mann weg. Es bestand keine Notwendigkeit, das Gespräch fortzusetzen. Djung hatte ein Talent zur Dummheit, eine fast mystische Fähigkeit, jeder Form von Logik zu widerstehen.
Von den Reitern war noch immer nichts zu sehen, und Gorkai gestattete sich, etwas zu entspannen. Früher hatte man in ihm den
kommenden Mann
gesehen, eine Stimme für die Zukunft. Diese Tage lagen weit hinter ihm, festgetrampelt im Staub seiner Vergangenheit. Als man ihn verbannt hatte, hatte er zunächst geglaubt, er hätte lediglich Pech, aber jetzt, mit der praktisch nutzlosen Gabe des Rückblicks, wußte er, daß dem nicht so gewesen war. Er war ungeduldig gewesen und hatte versucht, zu hoch und zu schnell aufzusteigen. Die Arroganz der Jugend. Zu schlau, um die eigene Dummheit zu erkennen.
Er war gerade siebzehn, als er am Überfall auf den Wolfsschädel-Stamm teilnahm, und es war Gorkai gewesen, der dreißig ihrer Ponys einfing. Durch seinen plötzlichen Reichtum hatte er gelernt anzugeben. Zu jener Zeit schien es, als hätten die Götter von Stein und Wasser auf ihn herabgelächelt. Rückblickend erkannte er, daß ihr Geschenk mit Gift versetzt war. Mit zwei Ponys hätte er eine Frau finden können, zehn hätten ihm einen Platz unter den Besten verschafft. Aber dreißig waren zuviel für einen jungen Mann, und je mehr er prahlte, desto unbeliebter wurde er. Das war für einen jungen Mann schwer zu begreifen. Beim Mittsommertreffen machte er ein Angebot für Li-shi, die Tochter von Lontsen. Fünf Ponys! Niemand hatte jemals fünf Ponys für eine Jungfrau geboten.
Und er wurde zurückgewiesen! Bei der Erinnerung an diese Schande wurde er selbst heute noch rot. Er war vor allen gedemütigt, denn Lon-tsen gab seine Tochter einem Krieger, der nur ein Pony und sieben Wolldecken bot.
Blind vor Zorn hatte Gorkai seine Demütigung gehätschelt und zu einem so starken Haß angefacht, daß ihm sein Plan wie eine blendende, brillante Idee erschien, um seinen verletzten Stolz wiederherzustellen. Er hatte Li-shi entführt, vergewaltigt und dann ihrem Vater zurückgebracht. »Jetzt wirst du schon sehen, wer haben will, was Gorkai bereits besessen hat«, sagte er dem alten Mann. Nach Nadirsitte würde kein anderer Mann sie heiraten. Die Gesetze besagten, daß ihr Vater sie entweder Gorkai geben oder sie töten mußte, weil sie ihrer Familie Schande gebracht hatte.
In der Nacht waren sie zu ihm gekommen und hatten ihn vor den Rat gezerrt. Dort mußte er die Hinrichtung des Mädchens mit ansehen, erwürgt von seinem eigenen Vater, und hörte den Spruch der Verbannung durch den Ältestenrat.
Trotz all des Tötens seitdem, dachte er immer noch mit aufrichtigem Bedauern an den Tod des Mädchens. Li-shi hatte sich nicht im Geringsten gewehrt, sondern hatte den Blick fest auf Gorkai gerichtet und ihn beobachtet, bis ihre Augen brachen und ihr Kinn schlaff herabsank Das Schuldgefühl hatte ihn nie verlassen. Ein Stein im Herzen.
»Da sind sie«, flüsterte Baski. Gorkai verdrängte die Erinnerungen und kniff die Augen zusammen. Noch ein gutes Stück entfernt, ritt der Mann dicht vor der Frau her. So nah waren sie ihnen noch nie gekommen. Gorkai musterte den Mann. Über dem Sattelknauf hingen Bogen und Köcher, in einer Scheide an seiner Seite steckte ein Kavalleriesäbel. Etwa sechzig Schritt von Gorkai entfernt zügelte der Mann sein Pferd. Er war jung, und das überraschte Gorkai. Nach den Fähigkeiten, die er bis jetzt gezeigt hatte, hatte der Anführer der Keistas einen erfahrenen Krieger in den Dreißigern erwartet.
Die Frau ritt neben den Mann, und Gorkai klappte der Kiefer nach unten. Sie war außerordentlich schön, schlank, mit rabenschwarzem Haar. Aber was ihn erschütterte, war die Ähnlichkeit mit dem Mädchen, das er einst geliebt hatte. Sicher gaben die Götter ihm die Chance, endlich doch sein Glück zu finden? Das schabende Geräusch von Stahl durchbrach die Stille, und Gorkai warf Djung, der sein Schwert gezogen hatte, einen wütenden Blick zu.
Draußen auf der Steppe riß der Reiter sein Pferd herum und scherte nach links aus. Zusammen mit der Frau
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