Die Drenai-Saga 7 - Die Augen von Alchazzar
eins muß klar sein: Du benutzt dein Messer nur auf meinen ausdrücklichen Befehl hin. Bist du Rechtshänder?« Sie nickte. »Dann ist dein Ziel der Mann, der am weitesten links von dir steht. Wenn wir den Keistas begegnen, mußt du dein Messer heimlich ziehen. Hör auf meinen Befehl: wenn ich deinen Namen sage.«
»Ich verstehe, Herr.«
»Es gibt noch etwas, das wir besprechen müssen. Die Höflichkeit der Chiatze ist legendär und paßt in eine Welt mit seidenbezogenen Sitzen, ausgedehnten Büchereien und einer zehntausend Jahre alten Zivilisation. Aber nicht hierher. Mach dich frei von Gedanken an Hüter und Mündel. Wir haben gerade unseren Schlachtplan zurechtgelegt, und jetzt sind wir zwei Krieger, die gemeinsam durch ein feindliches Land reisen. Von jetzt an würde es mich freuen, wenn du weniger formell mit mir sprechen würdest.«
»Du wünschst nicht, daß ich dich Herr nenne?«
Talisman sah ihr in die Augen und fühlte, wie sein Mund trocken wurde. »Spar dir diesen Ehrennamen für deinen Gatten auf, Zhusai. Nenn mich Talisman.«
»Wie du befiehlst, so soll es sein …, Talisman.«
Die Nachmittagssonne brannte auf die Steppe nieder, und die Ponys trabten mit gesenkten Köpfen auf die fernen Berge zu. Obwohl das Land flach und leer wirkte, wußte Talisman, daß es viele verborgene Gräben und Vertiefungen gab und daß die drei Keistas in hundert verschiedenen Verstecken sein konnten. Talisman kniff die Augen zusammen und blickte prüfend über die versengte Landschaft. Es war nichts zu sehen. Er lockerte seinen Säbel und ritt weiter.
Gorkai war ein Mörder und Dieb. Für gewöhnlich – aber nicht unbedingt – in dieser Reihenfolge. Die Sonne brannte auf ihn herab, aber auf seinem flachen, häßlichen Gesicht zeigte sich nicht eine Schweißperle. Die beiden Männer, die bei ihm waren, trugen breitkrempige Strohhüte, die Kopf und Nacken vor der erbarmungslosen Sonne schützten, aber Gorkai verschwendete keinen Gedanken an die Hitze, während er auf ein neues Opfer wartete. Früher hatte er mehr als nur ein Dieb werden wollen. Er hatte sich danach gesehnt, eine eigene Ziegenherde zu besitzen und eine Herde schöner Ponys, die von den zähen Hengsten der Nordpässe abstammten. Gorkai hatte von dem Tag geträumt, an dem er sich eine zweite Frau leisten konnte, obwohl er damals noch nicht einmal seine erste gewonnen hatte. Und er sah sich an den Abenden, an denen seiner Fantasie Flügel wuchsen, auch schon im Kreis des Ältestenrats sitzen. Alle seine Träume waren heute nichts weiter als Rauch, der seinen Erinnerungen einen bitteren Nachgeschmack verlieh.
Jetzt war er ein Keista – einer ohne Stamm.
Wenn er in der sengenden Sonne saß und über die Steppe starrte, hatte er keine Träume. Wieder im Lager würde die Hure mit der Schlitznase, die auf ihn wartete, irgendwelchen hübschen Tand erwarten, ehe sie ihm ihre Gunst erwies.
»Meinst du, sie haben den Pfad verlassen?« fragte Baski und kroch zu ihm heran. Die Pferde waren in der ausgetrockneten Rinne unter ihnen angepflockt, und die beiden Männer waren halb hinter den überhängenden Zweigen einiger
sihjis
-Büsche verborgen. Gorkai warf dem dicklichen Krieger einen Blick zu.
»Nein. Sie reiten langsam, um die Kräfte ihrer Ponys zu schonen.«
»Wir greifen an, wenn er in Sicht kommt?«
»Glaubst du, es wird so einfach sein?« erwiderte Gorkai.
Baski räusperte sich und spie aus, dann zuckte er die Achseln. »Er ist ein Mann. Wir sind drei.«
»Drei? Es wäre klug, wenn du Djung nicht in deine Überlegungen mit einbeziehst.«
»Djung hat schon getötet«, sagte Baski. »Ich habe es selbst gesehen.«
Gorkai schüttelte den Kopf. »Er ist ein
Killer,
ja. Aber wir haben es hier mit einem
Kämpfer
zu tun.«
»Wir haben ihn noch nicht gesehen. Woher willst du das also wissen, Gorkai?«
Der ältere Mann hockte sich auf die Fersen. »Ein Mann muß nichts über Vögel wissen, um zu sehen, daß der Habicht ein Jäger und die Taube seine Beute ist. Verstehst du? Die Schärfe der Krallen, der gekrümmte Schnabel, die Kraft und die Schnelligkeit der Flügel. So ist es auch mit Menschen. Dieser hier ist vorsichtig und wachsam, umgeht Gelände, das sich für Hinterhalte eignet, was zeigt, daß er sich mit Überfällen auskennt. Er weiß auch, daß er sich auf feindlichem Gebiet befindet, doch er reitet trotzdem. Das sagt uns, daß er Mut und Selbstvertrauen besitzt. Es eilt nicht, Baski. Erst beobachten wir, dann töten wir.«
»Ich beuge
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