Die Drenai-Saga 7 - Die Augen von Alchazzar
violetten Augen? Glaubst du, daß es ihn gibt? Und wenn, warum sollte er mich nehmen?«
»Er wird dich nehmen – wenn du bei mir bist.«
»Du weißt, wo er ist?«
»Ich weiß, was uns zu ihm bringen wird. Wirst du mir folgen?«
»Welcher Stamm bist du?«
»Wolfsschädel. So, wie du es sein wirst.«
Der Mann starrte düster ins Feuer. »All mein Ärger begann mit den Wolfsschädeln. Vielleicht endet er auch da.« Er blickte auf und sah Talisman in die dunklen Augen. »Ich werde dir folgen. Welchen Bluteid verlangst du?«
»Keinen«, antwortete Talisman. »Wie du es gesagt hast, so soll es sein. Wie heißt du?«
»Gorkai.«
»Dann halte Wache, Gorkai, denn ich bin müde.«
Mit diesen Worten legte Talisman seinen Säbel ab, wickelte sich in eine Decke und schlief ein.
Zhusai saß ruhig da, als Talisman sich ausstreckte, den Kopf auf den Arm bettete und sein Atem tiefer ging. Zhusai konnte kaum glauben, daß er so etwas tat! Nervös sah sie zu Gorkai hin und erkannte die Verwirrung in der Miene des Mannes. Noch kurz zuvor waren dieser Mann und zwei andere in ihr Lager geritten, um sie zu töten. Jetzt waren zwei von ihnen tot, und der dritte saß still am Feuer. Gorkai stand auf, und Zhusai zuckte zusammen. Doch der Nadirkrieger ging nur zu dem ersten Toten und schleppte ihn aus dem Lager. Dasselbe wiederholte er mit dem zweiten Leichnam. Als er zurückkam, hockte er sich vor Zhusai hin und streckte ihr die Hand hin. Sie sah, daß er ihr Wurfmesser mit dem Elfenbeingriff hielt. Schweigend nahm sie es. Gorkai stand auf und sammelte Feuerholz, ehe er sich neben dem Feuer niederließ. Zhusai hatte kein Verlangen nach Schlaf. Sie war überzeugt, daß dieser Killer in dem Augenblick, in dem sie die Augen schloß, Talisman die Kehle durchschneiden und danach sie mißbrauchen und ermorden würde.
Die Nacht verging, aber Gorkai machte keine Bewegung in Richtung des schlafenden Talisman oder zu ihr. Stattdessen saß er mit gekreuzten Beinen da, tief in Gedanken verloren. Talisman stöhnte im Schlaf und sprach plötzlich in der Sprache der Gothir. »Niemals!« sagte er.
Gorkai sah zu der Frau, und ihre Blicke begegneten sich. Zhusai wandte die Augen nicht ab. Gorkai stand auf und winkte ihr zu, ein Stück mit ihm zu gehen. Ohne sich umzusehen, ging er zu den Ponys und setzte sich auf einen Stein. Eine Weile machte Zhusai keine Anstalten zu folgen, dann ging sie ihm nach, das Messer in der Hand.
»Erzähl mir von ihm«, bat Gorkai.
»Ich weiß nur sehr wenig.«
»Ich habe euch beobachtet. Ihr berührt euch nicht. Es gibt keine Vertrautheit.«
»Er ist nicht mein Gemahl«, sagte sie kalt.
»Woher kommt er? Wer ist er?«
»Er ist Talisman von den Wolfsschädeln.«
»Talisman ist kein Nadirname. Ich habe ihm mein Leben gegeben, denn er hat meine Träume und meine Bedürfnisse berührt. Aber ich muß es wissen.«
»Glaub mir, Gorkai, du weißt fast soviel wie ich. Aber er ist stark, und er träumt große Träume.«
»Wohin gehen wir?«
»Ins Tal von Shul-sens Tränen und zum Grab von Oshikai.«
»Ach«, meinte Gorkai, »also eine Pilgerfahrt. So sei es.« Er stand auf und holte tief Luft. »Ich habe auch Träume – obwohl ich sie fast vergessen hätte.« Er zögerte, dann sprach er weiter. »Fürchte mich nicht, Zhusai. Ich werde dir nie etwas zuleide tun.« Damit ging Gorkai zurück zum Feuer und setzte sich.
Zhusai kehrte zu ihrer Decke zurück.
Die Morgensonne war hinter einer dichten Wolkenbank verborgen. Zhusai erwachte mit einem Ruck. Sie war fest entschlossen gewesen, nicht einzuschlafen, aber irgendwann im Laufe der Nacht war sie ins Reich der Träume geglitten. Talisman war auf und unterhielt sich mit Gorkai. Zhusai öffnete ihr Bündel und fachte das Feuer wieder an, um ein Frühstück aus gesalzenem Haferbrei und getrocknetem Fleisch zuzubereiten. Die beiden Männer aßen schweigend, dann nahm Gorkai die Holzteller und wusch sie im Tümpel ab. Es war die Arbeit einer Frau oder eines Dieners, und Zhusai wußte, daß dies Gorkais Art war, seinen Platz unter ihnen festzulegen. Zhusai verstaute die Teller wieder in dem Leinenbeutel und schnallte ihn hinter ihren Sattel. Gorkai half ihr beim Aufsteigen, dann reichte er ihr die Zügel der beiden anderen Ponys.
Talisman ritt voraus auf die Steppe, Gorkai an seiner Seite. »Wie viele Keistas machen das Gelände hier unsicher?« fragte Talisman.
»Dreißig«, antwortete Gorkai. »Wir … sie nennen sich Knochenbrecher.«
»Das habe ich gehört.
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