Die dritte Ebene
Vertreter des Militärs waren reine Befehlsempfänger, eine eigene Meinung war ihnen offenbar nicht gestattet, und dieser windige Berater des Präsidenten, der den Namen eines großen deutschen Komponisten trug, funkelte Cliff feindselig an.
»Sie machen einen großen Fehler«, sagte Cliff trocken. »Gegen diesen Sturm war der Hurrikan, der über Tallahassee zog, nur ein laues Lüftchen.«
»Wenn Sie Ihre Arbeit ordentlich gemacht hätten, dann gäbe es dieses Durcheinander überhaupt nicht«, konterte Richard Wagner. »Ihre Prognosen und Einschätzungen lagen so oft daneben wie meine Tipps beim Pferderennen. Diese Welt ist noch immer die gleiche, die Sonne scheint noch immer, und auch das Klima hat sich nicht wesentlich geändert. Wenn ich meinen Schirm zu Hause lasse, dann regnet es bestimmt. Obwohl unsere Meteorologen strahlenden Sonnenschein gemeldet haben.« Gelächter erhob sich im Raum.
Cliff schäumte über vor Wut. »Wer hat dieses Kind nur aus seinem Laufstall gelassen! Seit Jahren fordern die Klimaforscher und die Meteorologen aller Welt, endlich Maßnahmen gegen die zunehmende Umweltverschmutzung zu ergreifen. Aber nichts tut sich. Noch nicht einmal Geld für weitere Forschungsprojekte ist vorhanden.«
»Nicht schon wieder dieses Lied«, fiel Wagner dem Wissenschaftler ins Wort. »Nicht schon wieder diese Untergangsmelodie.«
Cliff erhob sich und griff nach seinem Jackett. »Das Klima wird sich ändern«, sagte er trocken. »Und zwar in einem Ausmaß, das Ihren Horizont überschreitet. Diese Wirbelstürme sind erst der Anfang. Die Katastrophen werden sich häufen. In zweihundert Jahren wird niemand mehr an der Küste wohnen, sie wird unbewohnbar werden. Und jetzt entschuldigen Sie mich, meine Herren. Wenn Sie einen Spezialisten brauchen, dann wenden Sie sich einfach an ihn.« Cliff deutete auf Richard Wagner und strebte zur Tür.
»Wenn Sie diesen Raum verlassen, dann können Sie Ihren Job vergessen«, sagte Wagner grinsend. »Das hier ist eine Lagebesprechung im Weißen Haus und nicht irgendeine Bridgepartie. Ich werde …«
»Richard, jetzt halten Sie endlich die Luft an«, wies der Innenminister den jungen Mann in die Schranken. »Sie tun Mr Sebastian unrecht. Er kann nichts für die Unbeständigkeit dieses Hurrikans.«
Richard Wagner verzog das Gesicht.
»Mr Sebastian, bitte setzen Sie sich wieder«, bat Summerville. »Wir sind alle etwas gereizt, aber wir brauchen Sie hier.«
Cliff zögerte.
»Glauben Sie mir, sechzehn Stunden sind für eine umfassende Evakuierungsmaßnahme nicht ausreichend. Für den Einsatz des Militärs fehlt mir die Autorisierung, das kann nur der Präsident entscheiden.«
Cliff ging zurück zu seinem Platz. »Dann rufen Sie ihn an!«, sagte er.
Innenminister Summerville lächelte. »Wie hoch schätzen Sie die Schäden ein, die ein Hurrikan wie Fjodor in einer Stadt wie New Orleans anrichtet?«
Cliff hängte sein Jackett über die Stuhllehne und setzte sich. »Wenn die innere Sturmzelle über die Stadt hinwegzieht, dann wird es New Orleans nicht mehr geben. Die Dämme werden der Flut nicht standhalten. Sie werden brechen und die Stadt überfluten. Ich brauche nicht zu erwähnen, dass die Stadt einige Meter unter dem Meeresspiegel liegt und durch einen Ring aus Deichen, Kanälen und künstlichen Rückhaltebecken geschützt wird. Die Flutwelle, die der Sturm vor sich hertreibt, wird das Wasser den Mississippi hinauftreiben. Und alles, was dem Wasser standgehalten hat, wird von den irrsinnigen Winden mit sich gerissen. Ich denke, dass die meisten der durch die Wassermassen angeschlagenen Gebäude einstürzen werden. Die Hälfte der Einwohner wird dieses Desaster nicht überleben.«
»250000 Tote?«
»Wahrscheinlich sogar noch mehr.«
Der Innenminister erhob sich. »Bitte entschuldigen Sie mich, ich muss dringend telefonieren. Ich werde den Präsidenten über die Lage informieren und eine Entscheidung fordern.«
Cliff Sebastian atmete auf, doch äußerlich ließ er sich nichts von seiner Genugtuung anmerken. Er schaute auf die Uhr. Hoffentlich würde die Zeit für eine umfassende Evakuierungsmaßnahme noch ausreichen.
Rosslyn Heights, Arlington, Virginia
Wayne Chang drehte den Duschhahn zu und trocknete sich ab. Nachdem er die letzten drei Tage im Büro in Camp Springs übernachtet hatte, war er endlich wieder einmal in seine Wohnung am Washington Memorial Park zurückgekehrt, um zu duschen und eine Mütze voll Schlaf zu bekommen.
Brian Saint-Claire hatte sich
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