Die dritte Ebene
Militärs hatte er abgelehnt. Fünf Stunden waren unverrichteter Dinge ins Land gezogen. Stunden, die am Ende fehlen sollten. Die Behörden stellten sämtliche Transportmittel bereit, die sie in der Kürze der Zeit zu beschaffen in der Lage waren. Lastwagen, Boote, Sonderzüge, Hubschrauber und Transportmaschinen wurden nach New Orleans beordert. Große Gebäude wie das Rathaus, Stadien, Kirchen und sturmsichere Verwaltungsgebäude wurden geöffnet, damit die Zurückgebliebenen eine einigermaßen sichere Unterkunft finden würden. In aller Eile ergänzte der Katastrophenschutz die vorliegenden Einsatzpläne. Es war jedoch fraglich, ob die zusätzlichen Maßnahmen innerhalb der verbleibenden zehn Stunden ausreichend umgesetzt werden konnten. Zumal sich viele Menschen weigerten, ihre Häuser und Besitztümer aufzugeben und die Stadt zu verlassen.
Die eingesetzten Truppen der Nationalgarde, der Katastrophenschutz und die Feuerwehren bauten Sandsackbarrieren und schütteten die Deiche auf, um den erwarteten Sturmfluten Paroli bieten zu können. Doch alle Maßnahmen waren angesichts des Monstersturms nur eine hilflose Betriebsamkeit, um die Angst und die aufkommende Panik zu bekämpfen. Fjodor raste mit 34 Kilometer pro Stunde auf die Stadt am Mississippi zu.
Schließlich willigte der Präsident auf Anraten des Krisenstabes doch noch ein, das Militär zu unterstützenden Maßnahmen abzukommandieren. Eine halbe Stunde später waren die Luftwaffe, die Army und einige Pioniereinheiten im Einsatz, doch gegen drei Uhr in der Nacht herrschte mehr oder weniger Stillstand. Die Straßen waren verstopft, die Sonderzüge warteten vergeblich auf ein Abfahrtsignal, und die Abflugzonen waren überfüllt. Heftige Windböen zerrten an den Maschinen auf den Flugfeldern, und bald würde eine Evakuierung auf dem Luftweg unmöglich werden. Menschen wanderten ziellos durch die Straßen, auf der Suche nach einer Möglichkeit, dem Inferno zu entkommen. Etwa um die gleiche Zeit brach südlich der Stadt der Deich des Waggaman Pond und setzte die Interstate 90 unter Wasser.
Tony Schneider, Wayne Changs langjähriger Kollege und Freund, hatte sich noch am Abend von Baton Rouge mit einem Hubschrauber nach New Orleans begeben, um dort die ersten Auswirkungen des Hurrikans aufzuzeichnen. Seine Kollegen von der Flugbereitschaft des Wetterdienstes hatten ihn gewarnt, doch Schneider hatte sich den Entschluss nicht mehr ausreden lassen.
»Dieser Monstersturm ist einmalig, wenn ich schon hier in der Nähe bin, dann will ich wirklich wissen, was wir da vor uns haben«, hatte er geantwortet und war mit einem Helikopter nach New Orleans geflogen. Schließlich war er selbst lange Zeit bei den Wetterfliegern gewesen und hatte noch immer sämtliche Pilotenscheine. Begleiten wollte ihn verständlicherweise niemand.
Die Regenschauer nahmen stetig an Intensität zu, und der Wind blies immer heftiger aus südlicher Richtung. Die Böen erreichten bald über 120 Stundenkilometer. Noch immer war der Kern des Wirbelsturms über 200 Kilometer von der Küste entfernt, aber die Vorzeichen waren derart heftig, dass sich jeder, der noch in der Stadt weilte, ausrechnen konnte, welches Desaster in Kürze zu erwarten war. Beunruhigung machte sich breit. Ströme von Menschen, Männern, Frauen und Kindern, schoben sich auf die eingerichteten Evakuierungspunkte in den einzelnen Bezirken der Städte zu. Vor der City Hall hatte sich eine lange Schlange gebildet. Das Stadion war überfüllt. Über zehntausend Menschen bevölkerten Ränge und Rasen, und noch immer strömten viele herbei, um sich in die Sicherheit des Dome zurückzuziehen. Die Niederschlagsmenge überschritt die Marke der gesamten letzten Monate, und der Luftdruck fiel ins Bodenlose. Gegen Morgen betrug die Windgeschwindigkeit mehr als 140 Stundenkilometer. Erste Bäume knickten unter der Belastung ein, einfache Abdeckungen und Plexiglasdächer flogen durch die Luft.
»Wenn wir noch von hier wegkommen wollen, dann müssen wir zum Hubschrauber!«, rief Schneider gegen den brausenden Wind dem jungen Feuerwehrmann zu, auf den er vor dem New Orleans Theatre of Performing Arts getroffen war. Der rote Helikopter vom Typ Hughes 500 C stand am westlichen Ende des Louis Armstrong Parks im Zentrum von New Orleans. Schneider hatte seine Messgeräte zusammengerafft und stemmte sich gegen den heftigen Wind.
Der junge Mann in der blauen Jacke mit den reflektierenden gelben Streifen der Feuerwehr ließ seinen Hammer fallen und
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