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Die dritte Ebene

Die dritte Ebene

Titel: Die dritte Ebene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
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größer wurden die Wasserlachen und die Beschädigungen an den Häusern. Doch der Gestank wich langsam einer salzigen, frischeren Luft. Die Schwüle mischte sich mit der Meeresbrise. Auf einem Straßenschild stand geschrieben: Casa Natal de Mayor General Antonia Mateo.
    »Ich glaube, wir sind richtig«, sagte Brian und zeigte auf das Schild. Nach weiteren zehn Minuten gelangten sie erneut auf einen Platz, der von hohen Stadthäusern im typisch spanischen Stil umgeben war. Vor einem Gebäude flatterte eine Fahne des Roten Kreuzes. Über dem Portal stand in verblasster und teilweise abgeblätterter Schrift Hospital de San Jorge.
    »Sollen wir zuerst hier nachschauen?«, fragte Brian.
    Er bemerkte Suzannahs ängstlichen Blick. Ihre großen Augen schauten auf die Fahne. Unmerklich nickte sie. Brian spürte, dass ihr das Herz bis zum Hals pochte. In ungeduldiger, aber zugleich banger Erwartung gingen sie die breite Treppe hinauf. Als sie die riesige Holztür öffneten und in das Gebäude eintraten, empfing sie eine angenehme Kühle. Der hohe und düstere Gang war menschenleer, es war still. Die Spuren des eingedrungenen Wassers waren noch deutlich zu erkennen. Die Wände und das Holz waren feucht.
    »Hier ist überhaupt niemand«, stieß Suzannah hervor. Ihre Worte hallten durch den Gang. Brian blieb stehen und horchte in die Stille. Schließlich deutete er nach oben. Sie gingen die Treppe hinauf und betraten durch die Schwingtür das erste Stockwerk. Der Gang wimmelte von Menschen. Sie lagen auf Betten, die sich an den Wänden reihten, oder kauerten am Boden. Verbände um ihre Gliedmaßen zeugten davon, dass sie Opfer der riesigen Welle geworden waren. Brian ging weiter und zog Suzannah mit sich.
    Ein Mann mit weißem Haar und einer goldenen Brille in einem ehemals weißen Kittel näherte sich.
    »Perdone, estamos buscando a los sobrevivientes de Caribbean Queen?«, fragte Brian.
    »Sorry, ich verstehe Sie nicht, ich bin Amerikaner«, erhielt er auf Englisch zur Antwort.
    »Wir ebenfalls«, entgegnete Brian. »Wir suchen nach Passagieren der Caribbean Queen.«
    Der Arzt deutete den Gang hinunter. Brian wandte sich zu Suzannah um. Schon wollte er weitergehen, als er ihr erstarrtes Gesicht bemerkte. Wie angewurzelt stand sie da und starrte auf eine Frau, die in einiger Entfernung auf dem Boden kauerte. Ein kleines Mädchen saß daneben. Neben der Frau stand ein kleines weißes Bett, ein Kinderbett, in dem ein schmächtiger Körper lag.
    »Suzannah, was ist?«, fragte Brian.
    »Peggy«, murmelte Suzannah leise. »Peggy!«, sagte sie nochmals, lauter diesmal, bis ein greller Schrei über ihre Lippen kam.
    Die Frau am Boden blickte auf. Rot geweinte Augen starrten Brian entgegen. Das Gesicht war blass und müde, als hätte sie seit Tagen keinen Schlaf mehr gefunden. Plötzlich sprang sie auf.
    »Suzannah?«, fragte sie ungläubig. Das Mädchen an ihrer Seite erhob sich. »Suzannah, bist du es wirklich?«
    Sie fiel ihrer Schwester schluchzend in die Arme. »Suzannah, es ist schrecklich, so schrecklich«, sagte sie immer und immer wieder. Das kleine Mädchen an ihrer Seite weinte.
New Orleans, Louisiana
    Fjodor wütete wie ein Berserker. Die Flussläufe und Kanäle wurden den Wassermassen nicht mehr Herr. Noch vor Sonnenaufgang lief das Wasser über die Deichkronen und ergoss sich in die Straßen und über die Plätze. Der Wind nahm stetig zu und zerrte an den einfachen Holzhäusern im Süden der Stadt. Von Terrytown bis hinüber nach Westwego wurden die Straßen überflutet.
    »Wir müssen versuchen uns nach Westen durchzuschlagen«, sagte der junge Feuerwehrmann hysterisch. Er hieß Bill und war gerade mal neunzehn Jahre alt. »In der City Hall befindet sich die Koordinierungsstelle des Katastrophenschutzes.«
    Schneider schaute zum Fenster hinaus in das trübe und schier undurchdringliche Grau. Der scharfe Wind strich um die Häuser und trug allerlei Unrat mit sich. Abfalleimer, Plastikteile, Äste, sogar kleinere Bäume rasten vorbei. »Das wird kein Kinderspiel.« Er zeigte nach draußen. »Das Zentrum des Hurrikans ist bereits sehr nah. Vielleicht noch einhundert Kilometer vor der Küste. Der Wind nimmt zu. Das sind Böen von über 170 Stundenkilometern. Dafür wird der Regen in Kürze etwas nachlassen.«
    »Hier können wir nicht bleiben«, sagte Bill. Die Angst stand ihm in den Augen. »Wir werden hier verrecken.«
    »Der Platz hier ist genauso gut wie jeder andere in der Stadt«, erwiderte Schneider. »Wenn wir die

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